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Phönix

Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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erstaunliche Phase des Wachstums, diese vierhundertundsiebenundneunzig Jahre Interregnum. Zauberei war nahezu unmöglich, so daß nur die allerfähigsten Zauberer gerade eben die einfachsten Beschwörungen vollbringen konnten. Umgekehrt wurde diese Fähigkeit aber weitergereicht und bewahrt und jene gelehrt, deren Interesse in diese Richtung lief. Was war das Ergebnis? Jetzt, da das Gestirn wieder da ist, ist die Zauberei durch die neuen Fähigkeiten so stark geworden, daß Dinge, die vor dem Interregnum unvorstellbar und während dessen unmöglich waren, alltäglich sind. Teleportationen finden in einem Maße statt, daß manche fürchten, sie würden den Handel mit Schiffen und auf Straßen ersetzen. Kriegsmagie ist derart stark, daß manche glauben, der einzelne Kämpfer gehört bald der Vergangenheit an. Selbst die Wiederbelebung der Toten ist möglich gew–«
    »Was hat das mit Kelly zu tun?«
    »Hm? Entschuldige bitte, ungeduldiger Ostländer. Während dieser Zeit sind Dinge entdeckt worden, von deinen Leuten, Dinge, die bis zu jenen zurückreichen, die diese Welt einmal entdeckt haben.«
    »Die Jenoine?«
    »Vor den Jenoine.«
    »Wer –?«
    »Das ist unwichtig. Aber Ideen, die zu lange bewahrt worden waren und von woandersher stammten, lagen bis dahin in tiefem Schlummer. Und selbst, als sie ausgegraben wurden, verstand niemand sie, beinahe zweihundert Jahre lang nicht, bis dieser Kelly –«
    »Göttin, ich verstehe nicht.«
    Sie seufzte. »Kelly hat die Wahrheit in seinen Händen über die Art, wie eine Gesellschaft funktioniert, darüber, wo die Macht liegt und über den Grund für die Ungerechtigkeit, die er sieht. Aber dies ist eine Wahrheit für eine andere Zeit und einen anderen Ort. Er hat um diese Ideen eine Organisation erbaut, und aufgrund ihrer Wahrheit blüht diese Organisation. Aber die Wahrheit, auf die er seine Politik gegründet hat, die Nahrung für dieses Feuer, das er schürt, hat im Imperium keine solche Kraft. Vielleicht in zehntausend Jahren oder in hunderttausend, aber nicht jetzt. Und indem er wie bisher weitermacht, schickt er seine Leute in ein Massaker. Verstehst du? Er erbaut eine Welt aus Ideen ohne eine Grundlage, ein Fundament. Wenn sie zusammenstürzt …« Ihre Stimme verlor sich.
    »Warum sagt Ihr ihm das nicht?«
    »Habe ich. Er glaubt mir nicht.«
    »Warum tötet Ihr ihn nicht?«
    »Man tötet nicht so leicht eine Idee, indem man den umbringt, der für sie eintritt. Wie ein Dünger dem Baum in seinem Wachstum hilft, so hilft Blut –«
    »Also«, unterbrach ich, »habt Ihr beschlossen, einen Krieg zu beginnen, in der Annahme, sie würden losmarschieren und ihren Kummer vergessen, damit sie für ihr Heimatland kämpfen können? Das ergibt –«
    »Kelly«, sagte sie, »ist gerissener als ich geglaubt habe, verflucht sei er. Er ist so gerissen, daß er jeden Ostländer und die meisten Teckla in Süd-Adrilankha vernichten kann.«
    »Was werdet Ihr tun?«
    »Die Angelegenheit überdenken«, sagte sie.
    »Und was soll ich tun?«
    »Ich schicke dich auf der Stelle nach Hause. Ich muß überlegen.« Sie machte eine Bewegung mit der rechten Hand, und ich war wieder vor einem Fenster in Morrolans Turm. Das Fenster zeigte das Gesicht der Dämonengöttin, die mich anstarrte und sagte: »Versuch, dich aus Schwierigkeiten herauszuhalten, ja?«
    Das Fenster wurde schwarz.

 
     
LEKTION
SICH FREUNDE MACHEN I
     
     
    Morrolan und Aliera saßen, wo ich sie zurückgelassen hatte, Norathar war fort. Ich stellte über das Gestirn fest, daß ich weniger als zwei Stunden weg gewesen war, und den größten Teil davon hatte der Marsch zum Turm und zurück in Anspruch genommen. Ich setzte mich und sagte: »Jetzt nehme ich gern noch ein Glas Wein.«
    Morrolan schenkte mir ein und sagte: »Nun?«
    »Nun was?«
    »Was ist passiert? Ich möchte annehmen, daß dir eben eine bewegende Erfahrung zuteil geworden ist.«
    »Ja. Nun. Nehme ich an. Ich habe nichts herausgefunden, das uns hilft, Cawti aus den Imperialen Kerkern zu holen.«
    Aliera rutschte unruhig hin und her. »Hast du Verra gesehen?«
    »Ja.«
    »Und, was hat sie gesagt?«
    »Vieles, Aliera. Es tut nichts zur Sache.«
    Morrolan betrachtete mich, wahrscheinlich um zu sehen, ob er weiter in mich dringen sollte. Anscheinend entschied er sich dagegen. Aliera runzelte die Stirn.
    »Tja, dann«, sagte sie etwas später. »Jetzt planen wir also einen weiteren Ausbruch. Das haben wir in letzter Zeit ziemlich oft gemacht. Ich frage mich, ob die

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