Phönix
Ihr seid gewöhnlich sorgfältiger in Euren Ausflüchten.«
Sie erinnerte sich.
»Es ist eine Wohltat, sich vor Euer Majestät nicht verstellen zu müssen«, sagte ich. »Ich ziehe eine direkte Lüge vor.«
Sie kicherte, was mich nicht überraschte. Überrascht war ich allerdings vom Ausbleiben empörten Gemurmels der gesichtslosen Höflinge hinter mir. Vielleicht kannten sie ihre Imperatorin. Sie sagte: »Wir müssen uns unterhalten. Wartet bitte.«
»Ich stehe Euch zu Diensten, Majestät.«
Wie mir beigebracht wurde, trat ich siebzehn Schritte zurück und dann zur Seite. Ich fragte mich, ob eine Stunde lang dieses imperiale Getue mit ansehen zu müssen wohl langweilig wäre oder interessant. Tatsächlich war es erstaunlich, weil ich zeitweilig die Festivitäten vergessen hatte, und als nächstes bemerkte ich Aibynn mit seiner Trommel, der sich mit einem mir bekannten Sänger unterhielt, und jemand, den ich nicht kannte, hielt ein Instrument, das der ostländischen Hej’du ähnelte.
Ich ging hinüber und begrüßte sie. Aibynn wirkte leicht überrascht, mich zu sehen, aber auch abgelenkt. Thoddi war redseliger und stellte mich dem anderen Musiker vor, einem Athyra mit Namen Dav-Hoel.
»Also seid ihr jetzt zu dritt«, meinte ich zu Thoddi.
»Eigentlich sogar zu viert, aber Andler weigerte sich, vor der Imperatorin zu spielen.«
»Weigerte sich?«
»Er ist ein Iorich, und er ist wütend, weißt du, wegen der Einberufung in Süd-Adrilankha und der Phönixwachen und diesen Geschichten.«
»Davon will ich gar nichts hören«, sagte ich. Thoddi nickte, als wisse er warum, was ich bezweifelte. »Jedenfalls viel Glück«, wünschte ich.
Kurz darauf wurden sie auf die Bühne gerufen. Thoddi fing an, ein altes Tavernenlied über Kerzenmacherei zu singen, voller Anzüglichkeiten und schlechter Reime, aber ich beobachtete Aibynn. Er hatte das übliche träumerische Lächeln aufgesetzt, als hörte er etwas, das man selbst nicht hören konnte, oder sähe mit seinen halbgeschlossenen Augen etwas, das einem selbst vorenthalten blieb.
Oder als wüßte er etwas, das man selbst nicht wußte.
Wie zum Beispiel, daß er die Imperatorin umbringen würde.
»Er tut es, Loiosh.«
»Ich glaube, du hast recht, Boß.«
»Ich will nicht hier sein.«
»Fällt dir was ein, wie wir verschwinden können?«
»Ähm, nein.«
»Was machen wir dann?«
»Laß du dir was einfallen. Ich bin raus.«
Mit schrecklicher Faszination beobachtete ich, wie Aibynn sich bewegte, die Trommel an der linken Seite geborgen. Er drehte sich eine Weile auf der Stelle, dann tanzte er vor und zurück, als der Gesang endete und sie nur noch spielten. Näherte er sich der Imperatorin? Ich riß mich von ihm los und sah sie in eine gedämpfte Unterhaltung mit einer Dame aus dem Haus der Tiassa vertieft. Die Imperatorin lächelte, und obwohl sie mit der Tiassa sprach, hatte sie die Musiker im Blick. Ihr Lächeln war schön. Ich fragte mich, ob es stimmte, dieses Kneipengerede über ihren Liebhaber, der Ostländer war.
Aibynn war, ja, jetzt näher dran. Hätte er ein Messer, einen Pfeil oder ein Blasrohr versteckt, könnte er sie kaum verfehlen, und niemand war bei ihm. Ich bewegte mich vorwärts. Wieder sah ich zur Imperatorin zurück, und sie sah mich jetzt ebenfalls an. Ich blieb sofort stehen, unfähig, mich zu bewegen, mit rasendem Herzen. Sie lächelte mir zu, ganz leicht, und schüttelte kaum wahrnehmbar den Kopf. Was dachte sie? Dachte sie etwa, daß ich …?
Das Lied endete mit einem Trommelwirbel und einem Geschrammel des lantenähnlichen Instruments von Thoddi, und die Musiker verneigten sich. Aibynn ging wieder zur Seite, und sie begannen ein weiteres Lied, ein Instrumentalstück, das ich nicht kannte. Ich trat einen Schritt zurück, zitternd und verwirrt. Was war eben passiert? Was wäre beinahe passiert? Wieviel hatte ich mir eingebildet?
Dav-Hoels Instrument zerlegte die Melodie wie Aibynns Trommel den Rhythmus. Einerseits wünschte ich, sie würden einfach das Lied spielen, aber alle anderen schienen sehr beeindruckt, und die Imperatorin war ehrlich begeistert. Ich hatte noch nie viel Ahnung von Musik.
Danach spielten sie eine alberne Nummer über Schnupftabak, dann ein Instrumentalstück, das sie als Tanz des Verrückten vorstellten, und dann sagte Loiosh: »Boß, wach auf! Die Imperatorin!«
»Hä? Oh.« Sie deutete, immer noch amüsiert, auf mich.
Ich trat vor, verneigte mich erneut, und sie sagte: »Kommt mit mir.«
»Ja, Euer
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