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Phönix

Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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Lange hatte ich gegrübelt, ob ich Loiosh zurücklassen sollte, und er hatte sich höflich aus der Unterhaltung rausgehalten, aber am Ende brachte ich es nicht über mich, also saß er mir stolz auf der rechten Schulter. Rocza, die ich zurückgelassen hatte, war nicht so begeistert davon, aber es gab nun einmal Grenzen in dem Ausmaß der Empörung, die ich bei meinem ersten offiziellen Besuch vor der Imperatorin auslösen wollte.
    Vor die Imperatorin treten.
    Ich war ein Jhereg, Abschaum der Gesellschaft, und ein Ostländer, Abschaum der Welt. Sie saß, das Gestirn um ihren Kopf kreisend, im Zentrum des Imperiums, und ihrem Befehl gehorchte die geballte Macht des Großen Meeres des Chaos, wie auch die militärische Macht der Siebzehn Häuser. Sie hatte Adrons Desaster überlebt, die Pfade der Toten bestanden und, fast über Nacht, ein Imperium aus den Ruinen neu erschaffen. Jetzt wollte sie mich sehen, und ihr glaubt, ich war in der Verfassung, mir Notizen über die Architektur zu machen?
    Ich hatte sie schon einmal gesehen, aber das war im Iorich-Flügel gewesen, als ich über den Tod eines Mitglieds aus dem Hochadel des Hauses Jhereg befragt wurde. Anscheinend hatte ein unterer Boß aus der Organisation, ein gewisser Techischattin oder so ähnlich, sich ein Herzogtum im Haus gekauft und sich dann umbringen lassen. Ich kann mir nicht vorstellen, warum er es haben wollte, außer vielleicht, um sein Selbstwertgefühl zu nähren, aber so war es: er war Herzog, und wenn ein Herzog ums Leben kommt, stellt das Imperium Untersuchungen an.
    Und irgendwie kam mein Name auf, und nachdem ich einige Wochen in den Imperialen Kerkern verbracht hatte, wurde mir befohlen, »unter dem Gestirn« auszusagen, im Beisein der Imperatorin und dieser ganzen hochrangigen Gestalten aus dem Haus Jhereg, die mit der Leitung der Organisation nicht das geringste zu schaffen hatten. Man fragte mich Dinge wie: »Wann habt Ihr ihn zuletzt lebend gesehen?«, und ich sagte: »Ach, ich weiß nicht; irgendwie kam er mir immer etwas tot vor«, und sie haben mich streng zurechtgewiesen. Sie fragten, wer ihn meiner Ansicht nach getötet hatte, und ich sagte, ich glaubte, er habe sich selbst umgebracht. Das Gestirn zeigte, daß ich die Wahrheit sagte, und so war es auch; er war so mit mir umgesprungen, als würde er um den Tod betteln. Nur einmal erwischte mich das Gestirn bei einer Lüge, nämlich als ich eine Bemerkung machte, wie überwältigend es für mich sei, vor einer solch erhabenen Gesellschaft zu reden.
    Da, erinnere ich mich, habe ich kurz mal die Imperatorin gesehen, die links hinter mir saß, und mich gefragt, was sie von der Angelegenheit hielt. Ich fand sie hübsch für eine Dragaeranerin, aber an Einzelheiten konnte ich mich nicht mehr entsinnen, außer daß ihre Augen golden waren.
    Diesmal fiel mir ein wenig mehr auf. Nachdem ich mich eine kurze Weile so gefühlt hatte, als würde ein höflicher Funktionär mich an den nächsten weiterreichen, in der ich meinen Namen und Titel öfter aufsagen mußte als im ganzen letzten Jahr, wurde mir Einlaß in das Imperiale Krönungszimmer gewährt, und dann hörte ich meinen Namen, trat vor und nahm zum erstenmal an jenem Tag mich und meine Umgebung wahr. Kugeln und Kerzen waren erleuchtet, und überall waren Aristokraten, allesamt festlicher Stimmung, oder wenigstens taten sie so.
    Auch sie nahm ich wahr. Sie trug einen Umhang in der Farbe ihrer Augen und Haare, ihr Gesicht war herzförmig, mit hohen, feinen Augenbrauen. Ich stand in der Halle der Phönix vor ihr. Ihr Thron war aus Onyx geschnitzt und mit goldenen Wiedergaben der Siebzehn Häuser verziert. Instinktiv suchte ich den Jhereg und sah ein Stück eines Flügels neben ihrer rechten Hand. Außerdem gewahrte ich unaufdringliche schwarze Kissen auf dem Thron und wußte nicht, ob mich das belustigen sollte oder nicht.
    Der Seneschall kündigte mich an, und ich trat mit der besten Verneigung vor, die ich kannte. Loiosh mußte sich anpassen, damit er nicht von mir fiel, aber er tat es, glaube ich, recht anmutig.
    »Wir heißen Euch willkommen, Baronet Taltos«, sagte sie. Ihre Stimme war bloß eine Stimme. Ich meine, keine Ahnung, was ich erwartet habe, aber ich war überrascht, als sie sich anhörte wie jemand, den man auf dem Markt Koriander anpreisen hört.
    »Vielen Dank, Euer Majestät. Ich verlange einzig, Euch zu dienen.«
    »Tatsächlich, Baronet?« Sie wirkte amüsiert. »Ich nehme an, das Gestirn würde hier eine Unwahrheit entdecken.

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