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Phönix

Phönix

Titel: Phönix Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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Majestät.«
    Sie stand auf, reckte sich ganz ungeniert, warf den Musikern einen Geldbeutel zu und ging durch einen mit Vorhängen verhängten Gang hinter dem Thron. Ich folgte mit genug Gehemmtheit für uns beide. Sie drehte sich zu mir um und nickte, daß ich zu ihr aufschließen sollte. Ich gehorchte, und wir vier, die Imperatorin Zerika, das Gestirn, Loiosh und ich, liefen schweigend nebeneinander. Was war wohl seltsamer für sie, mit einem Jhereg zu gehen, mit einem fliegenden Jhereg oder mit einem Ostländer? Andererseits, wenn es stimmte, daß sie einen Menschen als Geliebten hatte –
    Sie erwischte mich, wie ich sie anstarrte, und ich wandte mich errötend ab.
    »Ihr hattet unreine Gedanken über Eure Imperatorin?« fragte sie mit eher belustigter als beleidigter Stimme.
    »Nur Spekulationen über Gerüchte, Euer Majestät.«
    »Ah. Über einen ostländischen Liebhaber?«
    »Äm, ja.«
    »Das stimmt«, sagte sie. »Er heißt Laszlo. Er ist weder mein Liebhaber, weil er Ostländer ist, noch trotzdem. Er ist mein Liebhaber, weil ich ihn liebe, und er ist Ostländer, weil in jenem Haus seine Seele wohnt.«
    Ich leckte mir über die Lippen. »Wie könnt Ihr meine Gedanken lesen, ohne daß mein Vertrauter Euch dabei erwischt?«
    Sie lachte ganz kurz. »Indem ich Euer Gesicht ansehe und rate. Darin bin ich inzwischen recht gut.«
    »Mehr nicht?«
    »Meistens nicht, nein. Zum Beispiel sah ich, wie Ihr einen Anschlag auf mein Leben zu verhindern suchtet, der gar nicht stattfinden sollte. Habt Ihr denn das Gestirn vergessen, das das Leben der Imperatorin beschützt?«
    Wieder errötete ich. Das hatte ich wirklich vergessen. Um abzulenken sagte ich: »Das hat aber nicht immer geklappt.«
    »Ihr«, sagte sie, »seid nicht Mario. Und Euer Freund aus Grünewehr auch nicht.«
    »Dann habe ich mir alles eingebildet?«
    »Ja.«
    »Woher habt Ihr gewußt, was ich denke?«
    »Ihr habt Euch nicht die Mühe gemacht, Eure Sorgen geheimzuhalten, und Ihr seid schließlich ein Attentäter.«
    »Wer, ich?«
    »Ja«, sagte sie, »Ihr.«
    Dazu gab es nichts zu sagen, also sagte ich nichts. Wir bogen um eine Ecke und gingen durch weitere blanke weiße Hallen. Sie sagte: »Aus irgendeinem Grund habe ich die besten Gedanken, wenn ich genau hier entlanglaufe.«
    »Wie eine Tiassa«, sagte ich ohne zu überlegen.
    »Was?«
    »Entschuldigt, Euer Majestät. Das habe ich mal irgendwo gehört: Tiassa denken im Gehen, Dragon denken im Stehen, Lyorn denken im Sitzen und Dzur denken im nachhinein.«
    Sie kicherte. »Und wann denkt Ihr, guter Jhereg?«
    »Unentwegt, Euer Majestät. Ich kann es wohl nicht ändern.«
    »Oh, das Gefühl kenne ich.« Wir liefen noch ein Stück. Sie tat sehr beiläufig mit mir, aber da war das Gestirn, das ihr, während wir gingen, ums Haupt kreiste und dann und wann die Farbe wechselte; aus dem schlammigen Braun von vorhin war nun ruhiges Blau geworden. Ich fragte mich, ob sie mich absichtlich verwirren wollte.
    »Ihr seid ein höchst ungewöhnlicher Mann, Baronet Vladimir Taltos«, sagte sie plötzlich. »Ihr bringt jemanden ins Imperium, von dem Ihr denkt, er sei möglicherweise ein Mörder, und gestattet ihm, vor mir aufzutreten, und dennoch wart Ihr bereit, dazwischenzugehen und mich zu schützen, als Ihr glaubtet, er würde tatsächlich etwas tun.«
    »Woher wißt Ihr, daß er aus Grünewehr ist?«
    »Das habe ich vermutet, als ich ihn psychisch nicht durchdringen konnte. Ich habe es im Gestirn nachgeprüft, und dort sind Bilder seiner Kleidung und der Art von Trommel gespeichert, die er spielt.«
    »Ich verstehe. Euer Majestät, warum habt Ihr mich zu Euch gerufen?«
    »Um zu sehen, wie Ihr ausseht. Oh, ich erinnerte mich schwach an Euch, von Eurem gewandten Tanz um die Wahrheit während einer gewissen Morduntersuchung. Aber ich wollte den Mann etwas näher kennenlernen, der den Repräsentanten seines eigenen Hauses in den Mauern des Palastes bedroht und dessen Frau die beste Freundin der Thronerbin ist.«
    Darüber mußte ich etwas lachen, weil ich an die Basis dieser Freundschaft dachte.
    »Ja«, sagte sie lächelnd. »Ich weiß alles darüber.«
    »Woher?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Norathar hat mir nichts gesagt. Aber ich bin schließlich die Imperatorin. Ich vermute, mein Netzwerk von Spionen ist sogar besser als das Eure.«
    Autsch. »Daran zweifle ich nicht, Euer Majestät.« Was wußte sie denn nicht? Wußte sie zum Beispiel, daß ich derjenige war, der den Krieg gegen Grünewehr begonnen hatte?

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