Phönix
suchen.«
»Wo ist Jeannie?«
Ich hörte ein Klicken in der Leitung. »Ich bin hier, Dad!«
»Geh aus der Leitung, du Lauser!« schrie Vater.
»Ist schon gut, Pap«, beschwichtigte ich ihn. Sie mußte am Anschluß im oberen Stockwerk mitgehört haben. Früher oder später würde sie es ohnehin erfahren. »Wie geht es dir, mein Schatz?«
Sie heulte ins Telefon.
»Na, na«, beruhigte ich sie. »Das hilft gar nichts. Ich fahr hier sofort los und werde sehen, was ich tun kann.«
»Wirklich, Dad?« fragte sie ungläubig. »Du verläßt uns nicht?«
Ich schloß die Augen. »Natürlich nicht«, sagte ich. »Geh jetzt aus der Leitung und marsch ins Bett!«
Ihre Stimme klang jetzt erleichtert. »Gute Nacht, Daddy.«
»Gute Nacht, mein Kleines.« Wieder klickte es in der Leitung.
»Pap?« rief ich.
»Ja, Bernhard.«
»Ich fahr sofort los. Soll ich Marge etwas ausrichten?«
»Nein«, sagte er. »Nur daß ich für euch bete.«
Ich legte auf, mit einem bitteren Geschmack im Mund. Marge hatte nicht angerufen, weil sie Bescheid wußte. Pap hatte angerufen, weil er Bescheid wußte.
Der einzige, den ich hatte täuschen können, war ich selbst gewesen.
Ich ging durch den Raum zu Elaine. »Hast du gehört?«
Sie nickte. »Ich fahr dich zum Flughafen.«
»Danke.« Ich ging ins Badezimmer. »Ich muß mich jetzt anziehen«, bemerkte ich einfältig.
Sie gab keine Antwort, drehte sich um und ging ins Schlafzimmer. Einige Minuten später betrat sie, fertig angezogen, das Bad. Ich betrachtete sie im Spiegel, während ich mir die Krawatte band. Es wurde nichts Gescheites. Aber diesmal war es mir egal.
Voll Mitgefühl schaute sie mich an. »Es tut mir so schrecklich leid, Brad!«
»Es heißt immer, wenn man es früh genug feststellt, wird es nicht so schlimm.«
Sie nickte. »Sie haben jetzt schon weit mehr Erfahrung als damals, als wir .« Die schmerzliche Erinnerung trieb ihr die Tränen in die Augen.
»Liebling!« Ich drehte mich um und zog sie an mich. Sie schob mich zurück. »Beeil dich, Brad.«
Am Flugzeug küßte ich sie. »Ich ruf dich so bald als möglich an, Liebling!«
Sie schaute mir ins Gesicht. »Ich bin ein Unglücksrabe«, sagte sie düster. »Ich bringe jedem Pech, den ich liebe.«
»Sei nicht töricht«, protestierte ich. »Es ist doch schließlich nicht deine Schuld!«
Geistesabwesend starrte sie mich an. »Ich bin nicht so sicher.«
»Elaine!« rief ich scharf.
Sie erschrak und kam wieder zu sich. »Ich werde beten, daß er wieder gesund wird.« Sie drehte sich um und rannte zu ihrem Wagen.
Ich bestieg die Maschine und fand einen Fensterplatz. Ich spähte durch die kleine Scheibe, aber ich konnte sie nirgends entdecken. Der Motor begann zu dröhnen. Ich lehnte mich nach vorn und barg den Kopf in den Händen. Ein düsterer Gedanke kam mir.
Wenn irgend jemand Schuld hatte, dann sicherlich nicht Elaine, sondern ich.
Was stand in der Bibel über die Sünden der Väter?
31
Es war kurz vor Mitternacht, als ich am Eingang des Krankenhauses einer Schwester in blauer Tracht meinen Namen nannte. Während sie die Karteikarten durchblätterte, zog ich meinen Mantel aus. Durch die Tür sah ich, wie das Taxi, das mich vom Flughafen hierher gebracht hatte, wieder abfuhr. Eine Ordensschwester in grauer Tracht kam bei der Anmeldung vorbei.
»Schwester Angelika!« rief die Empfangsschwester.
Die andere wandte sich um. »Ja, Elisabeth?«
»Das ist Mr. Rowan. Wären Sie so nett, ihn mit hinaufzunehmen auf acht-zweiundzwanzig? Sein Sohn liegt dort.«
Die Ordensschwester hatte ein sanftmütiges Gesicht. »Kommen Sie mit mir«, sagte sie leise.
Wir stiegen in einen Lift. »Nach zehn sind keine Fahrstuhlführer mehr da«, entschuldigte sie sich und drückte auf den Knopf.
Im achten Stockwerk verließen wir den Aufzug, gingen einen langen, blaugestrichenen Korridor entlang und bogen dann in einen Seitengang. An dessen Ende saß auf einer Bank vor einem der Zimmer eine zusammengekauerte Gestalt.
Ich begann zu rennen und ließ die Schwester hinter mir. »Marge!« rief ich.
Sie hob den Kopf, als ich näher kam. Leid und Erschöpfung standen in ihrem Gesicht. »Brad!« sagte sie heiser, die Stimme klang nach vielen Tränen. »Brad, daß du da bist!«
Sie schwankte und wäre hingefallen, wenn ich sie nicht aufgefangen hätte. »Wie geht es ihm?« erkundigte ich mich ängstlich.
Sie fing an zu weinen. »Ich weiß es nicht. Die Ärzte behaupten, es sei noch zu früh, um etwas sagen zu können. Er hat die Krise
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