Phönix
anzurufen, und keine Antwort bekam, war ich dieses Gefühl nicht losgeworden, daß ich sie um jeden Preis sprechen mußte. Es gab keinen anderen Ausweg. Ich nahm eine Flugkarte nach Washington und rief zu Hause an. Ich versuchte, unbeschwert zu klingen, als ich log. »Marge, Brady hat mir den Auftrag nun doch gegeben. Aber ich muß noch den Präsidenten des Verbands in Washington aufsuchen.«
»Hat das nicht Zeit bis Montag?« fragte sie. »Ich habe so ein ungutes Gefühl, wenn ich an dieses Wochenende denke.«
Ich konnte direkt sehen, wie sie die Stirn runzelte - das tat sie immer, wenn sie deprimiert war.
»Es geht nicht, Liebling«, entgegnete ich rasch und versuchte, ihr den Schwindel glaubhafter zu machen. »Du weißt, daß dieser Auftrag unsere letzte Hoffnung war. Wir waren praktisch erledigt, bis Brady nun ja sagte. Ich kann es mir nicht leisten, jetzt noch irgendwas schiefgehen zu lassen.«
Ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß sie mir nicht glaubte. »Na schön, Brad. Wenn du mußt...«
»Natürlich muß ich. Wenn ich nicht müßte, würde ich nicht hingehen, das weißt du ja.«
Ihre Stimme klang sehr matt. »Ich weiß überhaupt nichts mehr«, sagte sie und legte auf.
Ich hängte den Hörer ein und ging gedankenvoll zur Rollbahn. Die Maschine kam gerade an, und kurz nach neun war ich in Washington. Es war beinahe zehn, als ich das erstemal läutete.
Von der Rückseite des Hauses hörte ich Motorengeräusch, dann das Schließen des Garagentores. Eine Sekunde war es still, dann klapperten hohe Absätze den zementierten Weg entlang und bogen um die Ecke.
Ich raffte mich auf, lauschte auf das Geräusch, und plötzlich zitterten mir die Beine. Sie kam auf mich zu, sah mich aber nicht. Der Mond fiel voll in ihr Gesicht, wunderschöne, traurige Einsamkeit stand darin. Eigenartigerweise freute ich mich über diese Feststellung.
»Elaine!« flüsterte ich.
Sie blieb stehen, ihre Hand fuhr an die Kehle. »Brad!« hauchte sie. Eine plötzliche Freude erhellte ihr Gesicht.
Sie kam auf mich zu. Ihre Stimme klang tief und angespannt. »Brad, warum bist du gekommen? Wir wissen doch beide, daß es vorbei ist.«
»Ich mußte dich sehen. Du kannst mich doch nicht einfach so mir nichts, dir nichts abschieben.«
Sie blieb einige Schritte von mir entfernt stehen und schaute mir ins Gesicht. »Hast du nicht schon genug angerichtet?« Sie weinte. »Du hast mich billig und gemein gemacht wie all die anderen.
Kannst du denn keine in Ruhe lassen?«
»Das Mädchen bedeutet mir überhaupt nichts«, erwiderte ich. »Sie hat sich bei mir bedankt, weil ich ihr helfen wollte.«
Sie sagte kein Wort, starrte mich nur aus ihren dunklen, schmerzerfüllten Augen an. Irgend etwas gab mir zu verstehen, daß sie mir glauben wollte.
Ich streckte meine Hand aus, aber sie wich einen Schritt zurück. »Sag mir, daß du mich nicht liebst, und ich gehe«, sagte ich.
»Geh fort«, flüsterte sie bitter. »Laß mich allein!«
»Ich kann nicht. Du bedeutest mir alles. Ich kann dich nicht einfach so gehen lassen. Nur, wenn du mir sagst, daß du mich nicht liebst.«
Sie senkte den Blick zu Boden. »Ich liebe dich nicht«, sagte sie mit schwacher Stimme.
»Ich bilde mir ein, daß du noch vor ein paar Tagen das Gegenteil behauptet hast. Du hast mir in die Augen gesehen und gesagt, du liebst mich von ganzem Herzen. Du hast mir gesagt, daß du noch bei keinem dieses Gefühl von Lieben und Geliebtwerden erlebt hast. Schau mich jetzt an und sag mir, daß du gelogen hast. Sag mir, daß du die Liebe wie einen Wasserhahn an- und abstellen kannst. Dann will ich dir glauben.« Langsam wandte sie mir ihr Gesicht zu, ihre Lippen zitterten. »Ich . ich .« Sie konnte nicht sprechen.
Ich streckte ihr meine Arme entgegen, und sie suchte Schutz in ihnen. Sie preßte ihr Gesicht in meinen Mantel und weinte; heftige, schmerzliche Seufzer erschütterten ihren ganzen Körper. Ich konnte kaum verstehen, was sie sagte. »Einen Moment lang ... im Büro ... ich war das Mädchen ... und ich war deine Frau ... plötzlich schämte ich mich so . es war so unrecht . so furchtbar unrecht .«
Ich drückte sie fest an mich, ihr Haar streichelte meine Lippen, als ich flüsternd zu ihr sprach. Tränen liefen mir über die Wangen und fielen in ihr Haar.
»Bitte, Elaine«, bettelte ich, »bitte, weine nicht!«
Ihre Lippen preßten sich wild auf meine. »Brad, Brad, ich liebe dich so!« weinte sie, und ihre Küsse schmeckten salzig. »Laß mich nicht wieder von dir
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