Physiologie der Ehe (German Edition)
Geistes erschöpfen zu wollen. Hier nur ein Beispiel: am Saturnalientag entdeckten die Römer in zehn Minuten mehr über die Eigenschaften ihrer Sklaven, als sie sonst während des ganzen übrigen Jahres erfahren konnten! Du mußt in deiner Ehe Saturnalien einzurichten verstehen, mußt es machen wie Geßler, der ohne Zweifel, als er Wilhelm Tell den Apfel vom Kopfe seines Kindes herunterschießen sah, zu sich selber gesagt hat: »Den Mann da muß ich mir vom Halse schaffen, denn er würde mich nicht fehlen, wenn er mich totschießen wollte.«
Du begreifst: sollte deine Frau Roussillonwein trinken, Hammelfilet essen, zu jeder beliebigen Stunde ausgehen und die Enzyklopädie lesen wollen – so mußt du sie auf die dringlichste Weise dazu auffordern. Zunächst deshalb, weil sie gegen ihre eigenen Wünsche mißtrauisch werden wird, wenn sie dich in vollkommenem Gegensatz zu den früher von dir befolgten Systemen handeln sieht. Sie wird sich einbilden, du müssest ein ganz besonderes Interesse daran haben, daß du deine Politik diesen neuen Kurs einschlagen läßt, und darum wird gerade der Umstand, daß du ihr alle Freiheit läßt, sie dermaßen beunruhigen, daß sie gar keinen Genuß davon haben wird. Wenn nun auch eine solche Änderung des Verhaltens dieses oder jenes Unglück mit sich bringen könnte, so wird auch dafür die Zukunft Rat schaffen. In Revolutionszeiten ist es der allererste Grundsatz, das Übel, das man nicht verhindern kann, einem guten Ziel zuzulenken und durch Blitzableiter den Blitz anzuziehen, um ihn in einen Brunnen zu leiten.
Und nun stehen wir endlich vor dem letzten Akt der Komödie.
Der Liebhaber, der von dem Tage an, wo das schwächste von allen ›Ersten Symptomen‹ bei deiner Frau aufgetreten ist, bis zu dem Augenblick, wo die Eherevolution sich vollzieht, teils als körperliches Wesen, teils als ein Gebilde ihrer Phantasie eure Ehe umschwebt hat – der Liebhaber, durch einen Wink von ihr herangerufen, hat gesagt: »Da bin ich.«
Der Liebhaber
Wir überliefern die folgenden Denksprüche dem Nachdenken der Leser.
Man müßte am Menschengeschlecht verzweifeln, wenn diese Denksprüche erst im Jahre 1830 entstanden wären; aber sie drücken so kurz und bündig die Beziehungen und Unterschiede aus, die zwischen dir, deiner Frau und einem Liebhaber bestehen; sie werden auf die von dir zu befolgende Politik ein so glänzendes Licht werfen, werden dir so genauen Aufschluß über die Kräfte des Feindes geben, daß wir, der Magister, hier gegen jede Regung von Eitelkeit uns verschlossen haben; und sollte zufällig unter allen diesen Gedanken sich ein einziger neuer finden, so schreibe man ihn auf Rechnung des Teufels, auf dessen Rat dieses Buch entstand.
LXIV. Von Liebe sprechen heißt Liebe üben.
LXV. Bei einem Liebhaber bekundet die gewöhnlichste Begierde sich stets als Ausbruch einer gewissenhaften Bewunderung.
LXVI. Ein Liebhaber besitzt alle Vorzüge und alle Mängel, die ein Gatte nicht hat.
LXVII. Ein Liebhaber belebt nicht nur alles, er läßt auch das Leben vergessen; der Ehemann belebt nichts.
LXVIII. Auf alle Mätzchen der Empfindung, die eine Frau macht, fällt ein Liebhaber stets herein; und wo ein Ehemann notwendigerweise die Achseln zuckt, gerät ein Liebhaber in Verzückung.
LXIX. Ein Liebhaber verrät nur durch sein Benehmen, bis zu welchem Grade der Intimität er bei einer verheirateten Frau gelangt ist.
LXX. Eine Frau weiß nicht immer, warum sie liebt. Dagegen kommt es selten vor, daß ein Mann bei seiner Liebe nicht ein Interesse verfolgt. Ein Ehegatte muß diesen geheimen Grund der Eigensucht ausfindig machen; denn dieser wird für ihn der Hebel des Archimedes sein.
LXXI. Ein talentvoller Ehemann gibt niemals öffentlich die Vermutung kund, daß seine Frau einen Liebhaber habe.
LXXII. Ein Liebhaber gehorcht allen Launen einer Frau; und da ein Mann in den Armen seiner Geliebten niemals schäbig ist, so wird er, um ihr zu gefallen, alle Mittel aufbieten, deren Anwendung einem Ehemann oftmals widerstrebt.
LXXIII. Ein Liebhaber lehrt eine Frau alles, was ihr Ehemann ihr verheimlicht hat.
LXXIV. Alle Empfindungen, die eine Frau ihrem Liebhaber entgegenbringt, sind nur ein Austausch; sie erhält sie stets in verstärktem Maße zurück; sie umschließen nicht bloß, was sie empfangen haben, sondern auch, was sie abgegeben hatten. Bei diesem Geschäft machen schließlich fast alle Ehemänner Bankrott.
LXXV. Ein Liebhaber spricht zu einer Frau nur von dem, was
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