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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Benehmen überflüssig: denn wenn sie dich verraten wollte, wer könnte sie daran verhindern?
    Dann, eines Abends, wirst du dich von der Leidenschaft fortreißen lassen: du nimmst irgendeine Kleinigkeit zum Vorwand und machst eine Szene, bei der du in deinem Zorn das Geheimnis der strengen Maßregeln verrätst, zu denen zu greifen du dich entschlossen hättest. Dies ist der Augenblick, wo unser neues Gesetzbuch in Kraft tritt.
    Du brauchst nicht zu befürchten, daß eine Frau sich darüber ärgern wird. Sie braucht deine Eifersucht. Sie wird sogar deine strengen Maßregeln herausfordern. Zunächst deshalb, weil sie darin die Rechtfertigung ihres Benehmens suchen wird; ferner findet sie ungeheure Vorteile dabei, vor der Welt die Rolle eines Opfers zu spielen – denn was für köstliche Beteuerungen des Mitleids wird sie da anhören dürfen! Ferner wird sie sich daraus eine Waffe gegen dich selbst machen, in der Hoffnung, sich derselben bedienen zu können, um dich in eine Schlinge zu locken.
    Sie sieht bereits klar und deutlich tausend neue Wonnen in ihrer künftigen Untreue, und ihre Phantasie begrüßt mit freudigem Lächeln alle Schranken, mit denen du sie umgibst: wird es nicht herrlich sein, darüber hinwegspringen zu müssen?
    Die Frauen verstehen besser als wir die Kunst, die beiden menschlichen Gefühle zu analysieren, mit denen sie sich gegen uns bewaffnen, und deren Opfer sie sind. Sie besitzen den Instinkt der Liebe, weil die Liebe ihr ganzes Leben ist; und sie besitzen den Instinkt der Eifersucht, weil diese so ziemlich ihr einziges Mittel ist, um uns zu beherrschen. In ihnen ist die Eifersucht ein wahres Gefühl: sie geht aus dem Instinkt der Selbsterhaltung hervor; sie läßt ihnen die Wahl zwischen Leben und Tod. Beim Manne aber ist diese beinahe unerklärliche Leidenschaft fast immer ein Unsinn, wenn er sich ihrer nicht als eines Mittels bedient.
    Auf eine Frau, von der man geliebt wird, eifersüchtig zu sein, deutet auf ganz eigentümliche Denkfehler hin. Wir werden geliebt, oder wir werden nicht geliebt: von diesen beiden Extremen aus angesehen, ist die Eifersucht für den Mann ein überflüssiges Gefühl; sie läßt sich vielleicht ebensowenig erklären wie die Furcht, und vielleicht ist die Eifersucht nichts weiter, als die der Liebe beigemischte Furcht. Aber dies heißt nicht: an seiner Frau zweifeln, dies heißt: an sich selber zweifeln.
    Eifersüchtig sein bedeutet gleichzeitig: den Gipfel der Ichsucht, den Bankrott der Eigenliebe und die Erregung einer falschen Eitelkeit. Die Frauen nähren mit außerordentlicher Sorgfalt dieses lächerliche Gefühl, weil sie ihm Kaschmirschals, ihr Nadelgeld und Diamanten verdanken, und weil sie für sie das Thermometer ihrer Macht ist. Daher würde auch deine Frau auf ihrer Hut sein, wenn du nicht den Eindruck hervorriefest, wie wenn die Eifersucht dich blind mache; denn es gibt nur eine einzige Schlinge, vor der sie nicht auf der Hut ist: nämlich die Schlinge, die sie sich selber legt. Daher muß eine Frau leicht von einem Ehemann übertölpelt werden, der geschickt genug ist, der unvermeidlichen, früher oder später doch eintretenden Revolution die von uns bezeichnete und von der Klugheit gebotene Richtung zu geben.
    Du wirst dadurch auf deine Ehe jene eigentümliche Erscheinung übertragen, die uns die Geometrie in den Asymptoten bietet: deine Frau wird stets dich zu minotaurisieren versuchen, ohne daß es ihr jemals gelänge. Wie es Knoten gibt, die sich niemals so fest zusammenziehen, wie wenn man sie aufzulösen versucht, so wird sie im Interesse deiner Macht arbeiten, während sie glaubt, für ihre Unabhängigkeit zu arbeiten.
    Ein Fürst ist auf dem höchsten Grad der Verstellungskunst angelangt, wenn er seinem Volk die Überzeugung beibringt, es schlage sich für sich selber, während er in Wirklichkeit es für seinen Thron abschlachten läßt.
    Aber viele Ehemänner werden gleich zu Anfang bei der Ausführung dieses Feldzugsplanes eine Schwierigkeit finden. Wenn die Frau über eine tiefgehende Verstellungskunst verfügt, an welchen Zeichen soll man dann den Augenblick erkennen, wo sie die geheimen Triebfedern der langdauernden Mystifikation bemerkt?
    Hierauf antworten wir: zunächst haben die Betrachtungen ›über die Ehezollrevision‹ und die ›Theorie des Bettes‹ bereits mehrere Mittel angegeben, um den Gedanken der Frau zu erraten; aber wir erheben nicht den Anspruch, in diesem Buche alle die unermeßlichen Hilfsquellen des menschlichen

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