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Physiologie der Ehe (German Edition)

Physiologie der Ehe (German Edition)

Titel: Physiologie der Ehe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nennen.
    So wird also deine Frau aus allen Berührungspunkten, die du mit der Welt, mit der Gesellschaft oder mit dem Leben hast, sich Stützpunkte ihres Widerstandes zu schaffen wissen. So wird also alles sich gegen dich bewaffnen, und inmitten so vieler Feinde wirst du allein stehen.
    Aber nehmen wir an, dir sei der unerhörte Vorzug und das unglaubliche Glück zuteil geworden, eine nicht übermäßig fromme Frau zu besitzen, die Waise ist und keine intimen Freundinnen hat; du seiest so scharfsinnig, daß du alle Fallstricke ahnst, in die der Liebhaber deiner Frau dich zu locken versuchen wird; du liebst deine schöne Feindin noch mutig genug, um allen Kammerkätzchen der ganzen Welt Widerstand leisten zu können; und endlich, dein Arzt sei eine jener Berühmtheiten, die keine Zeit haben, auf die Koketterien der Frauen zu hören; oder – wenn euer Äskulap ein Getreuer deiner Frau ist, du verlangest jedesmal, wenn der Lieblingsdoktor eine beunruhigende Vorschrift erläßt, eine Konsultation, zu der du einen unbestechlichen andern Arzt hinzuziehst – nun, durch all dieses wird deine Lage auch nicht viel glänzender werden. Denn wenn du dem Angriff der Verbündeten noch nicht unterliegst, so bedenke, daß bis dahin dein Gegner sozusagen noch gar nicht zum entscheidenden Schlage ausgeholt hat. Wenn du dich wider Erwarten noch länger hältst, so wird deine Frau, nachdem sie wie eine Spinne Faden um Faden ein unsichtbares Netz um dich gesponnen hat, jetzt von den Waffen Gebrauch machen, die die Natur ihr gegeben und die die Zivilisation vervollkommnet hat. Hiervon in der folgenden Betrachtung.

Die verschiedenen Waffen
    Eine Waffe ist alles, womit man verwunden kann, und von diesem Standpunkt aus betrachtet sind die Gefühle vielleicht die grausamste Waffe, von der der Mensch Gebrauch machen kann, um seinesgleichen zu treffen. Der leuchtende und zugleich so weitumfassende Geist Schillers scheint ihm alle Phänomene der lebhaften und tiefgehenden Wirkung enthüllt zu haben, die von gewissen Ideen auf die menschliche Natur ausgeübt wird. Ein Gedanke kann einen Menschen töten. Das ist die Moral der ergreifenden Szenen der ›Räuber‹, in denen der Dichter einen jungen Menschen zeigt, der mit Hilfe einiger Ideen dem Herzen eines Greises so tiefe Wunden schlägt, daß schließlich sein Leben entflieht. Vielleicht ist die Zeit nicht fern, wo die Wissenschaft den sinnreichen Mechanismus unserer Gedanken beobachten und die Übertragung unserer Gefühle verstehen kann. Irgend jemand wird die geheimen Wissenschaften wieder aufnehmen und beweisen, daß die geistige Organisation gewissermaßen ein innerer Mensch ist, der sich nicht weniger kräftig äußert als der äußere Mensch, und daß der Kampf zwischen zwei solchen für unsere schwachen Augen unsichtbaren Mächten nicht weniger tödlich ist, als die Gefechte, in deren Gefahren wir uns mit unserer Hülle wagen. Aber diese Erwägungen gehören in das Gebiet anderer Studien, die wir ebenfalls noch veröffentlichen werden; einige von unsern Freunden kennen bereits eine der wichtigsten davon: ›Die Pathologie des sozialen Lebens – oder mathematische, physische, chemische und übersinnliche Betrachtungen über die Offenbarungen des Gedankens in allen durch den Zustand der Gesellschaft hervorgerufenen Formen: im Essen, Wohnen, Benehmen, Roßarztkunde einerseits, in Wort und Handlung andererseits usw.‹ Hierin sind alle diese großen Fragen ausführlich behandelt. Mit unserer kleinen metaphysischen Bemerkung bezwecken wir nichts weiter, als dich darauf aufmerksam zu machen, daß die höhern gesellschaftlichen Klassen viel zu vernünftig sind, um sich anders anzugreifen, als mit geistigen Waffen.
    Wie man zarte und zärtliche Seelen in Körpern von einer mineralischen Härte vorfindet, so gibt es auch eherne Seelen in der Hülle geschmeidiger und kapriziöser Körper, deren Eleganz die Freundschaft anderer Menschen anlockt, deren Anmut zu Liebkosungen einladet; aber wenn du den äußern Menschen mit der Hand streichelst, so wird sofort der homo duplex, um uns eines Buffonschen Ausdrucks zu bedienen, sich zu regen beginnen, und du wirst dich an seinen scharfen Kanten und Spitzen verletzen.
    Diese Beschreibung einer ganz eigentümlichen Art von Menschen, von denen du hoffentlich auf deinem Lebenswege keinem Exemplar begegnest, bietet dir ein Bild dessen, was deine Frau für dich sein wird. Ein jedes der süßesten Gefühle, die die Natur in unser Herz gelegt hat, wird bei

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