Physiologie der Ehe (German Edition)
sagt dir auf ihre Veranlassung:
»Ich finde zwar nicht, daß der Zustand der gnädigen Frau gerade zu ernsten Beunruhigungen Anlaß gibt; aber diese beständige Schlafsucht, dieser allgemeine Lebensüberdruß sind erste Anzeichen, die auf ein Rückenmarksleiden schließen lassen, und da muß sorgfältig aufgepaßt werden. Ihre Lymphe ist zu dick. Ihr täte eine Luftveränderung not; man sollte sie ins Bad schicken – nach Barèges oder nach Plombières.«
»Schön, Doktor.«
Du läßt deine Frau nach Plombières gehen; aber sie geht dorthin, weil Hauptmann Charles in den Vogesen in Garnison liegt. Als sie wiederkommt, befindet sie sich ausgezeichnet, und die Bäder von Plombières haben bei ihr Wunder gewirkt. Sie hat dir jeden Tag geschrieben, hat dich aus der Ferne mit allen möglichen Liebkosungen überhäuft. Der erste Ansatz von Rückenmarksschwindsucht ist völlig verschwunden.
Es gibt ein kleines Pamphlet, das ohne Zweifel von einem Gefühl des Hasses eingegeben wurde – es ist in Holland gedruckt worden – das aber sehr interessante Einzelheiten darüber enthält, wie Frau von Maintenon sich mit Fagon zu verständigen wußte, um Ludwig den Vierzehnten zu beherrschen. Nun, auch dein Arzt wird eines Morgens – genau wie Fagon es mit seinem Herrn machte – dir mit einem Schlagfluß drohen, wenn du nicht strenge Diät hältst. Dieses ziemlich komische Scherzspiel, betitelt ›Mademoiselle de Saint Tron‹ – ohne Zweifel das Werk eines Hofmanns – ist von dem modernen Theaterdichter geahnt worden, der den Einakter ›Der junge Arzt‹ verfaßte. Aber sein köstliches Lustspiel ist dem andern, dessen Titel ich für Bücherliebhaber zitiert habe, weit überlegen, und wir wollen mit Vergnügen gestehen, daß das Werk unseres geistreichen Zeitgenossen und die Rücksicht auf den Ruhm des siebzehnten Jahrhunderts uns verhindert haben, die Bruchstücke des alten Pamphlets zu veröffentlichen.
Oft wird ein Doktor von den geschickten Manövern einer jungen Frau von zarter Gesundheit übertölpelt; da wird er zu dir kommen und dir im geheimen sagen:
»Mein Herr, ich möchte Ihre Frau Gemahlin nicht erschrecken, indem ich ihr die Wahrheit über ihren Zustand mitteile; aber ich empfehle Ihnen, wenn ihre Gesundheit Ihnen lieb ist, so lassen Sie sie vollständig in Ruhe. Die Krankheit scheint sich in diesem Augenblick auf die Brust ziehen zu wollen, und wir werden ihrer Herr werden; aber sie braucht Ruhe, viel Ruhe; die geringste Aufregung könnte den Sitz der Krankheit verändern. In diesem Augenblick würde eine Schwangerschaft den Tod für sie bedeuten.«
»Aber – Doktor ...?«
»Oh! Oh, ich weiß schon!«
Er lacht und geht.
Wie Moses' Zauberstab schafft und zerstört die ärztliche Vorschrift. Ein Arzt setzt dich, wenn es sein muß, wieder in die Rechte des Ehebettes ein, und bringt dabei dieselben Gründe vor, mit denen er dich zuvor verjagt hatte. Er behandelt bei deiner Frau Krankheiten, die sie gar nicht hat, um sie von denen zu heilen, an denen sie wirklich leidet, und du wirst davon niemals etwas begreifen; denn das wissenschaftliche Kauderwelsch der Ärzte läßt sich den Oblaten vergleichen, in die sie ihre Pillen einwickeln.
Im Bunde mit ihrem Arzt ist eine anständige Frau in ihrer Kammer dasselbe, was in seiner Abgeordnetenkammer ein Minister ist, der seiner Mehrheit sicher ist; denn sie läßt sich Ruhe, Zerstreuung, Landleben oder Stadtleben, Bäder, Ausreiten, Spazierenfahren verordnen – ganz nach ihrer Laune oder wie es ihr für ihre Interessen angebracht erscheint. Ganz nach ihrem Belieben schickt sie dich fort oder erlaubt dir den Zutritt. Bald wird sie eine Krankheit vorschützen, damit ihr Schlafzimmer von dem deinigen getrennt werde; bald wird sie sich mit dem ganzen Apparat einer Krankenstube umgeben: ihre Garde wird eine alte Krankenwärterin sein, sie wird Regimenter von Salbentöpfen und Medizinflaschen aufmarschieren lassen und wird dich in ihren Verschanzungen durch ihr mattes Aussehen herausfordern. Man wird dich so unbarmherzig von den Brustlatwergen unterhalten und von den Beruhigungstränklein, die sie eingenommen hat, von den Hustenanfällen, die sie gehabt hat, ihren Pflastern und Breiumschlägen, daß sie mit all diesen Krankheitsgeschichten schließlich deine Liebe totmacht, vorausgesetzt, daß diese geheuchelten Schmerzen nicht überhaupt nur Schlingen waren, die sie gelegt hatte, um jenen eigentümlichen abstrakten Begriff zu zerstören, den wir ›deine Ehre‹
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