Physiologie der Ehe (German Edition)
schweigen bittet, und ebenso glücklich, wenn er sie zu munterm Geplauder auffordert – mit einem Wort: denen eine Ahnung sagt, daß ein Lord Byron nicht denselben Gedankengang und dieselbe Sittlichkeit haben kann, wie ein Strumpfwirker. Aber hier wollen wir haltmachen; die weitere Ausmalung dieser Schilderung würde uns zu sehr von unserm Gegenstand entfernen: es handelt sich um die Ehe und nicht um die Liebe.
Hygiene der Ehe
Diese Betrachtung bezweckt, der Aufmerksamkeit des Lesers ein neues Verteidigungsmittel zu unterbreiten, vermöge dessen er den Willen seiner Frau mit unwiderstehlicher Wucht wird beugen können. Es handelt sich um die Wirkungen, die das körperliche Befinden und eine vernunftgemäße Abstufung der Ernährungsweise auf die moralische Kraft auszuüben vermögen.
Diese wichtige philosophisch-medizinische Frage der Ehepolitik hat ohne Zweifel einen besondern Reiz für alle jene Gichtkrüppel, Impotente, Katarrhaliker und, die ganze Legion von alten Herren, deren Gleichgültigkeit wir in dem Artikel über die Prädestinierten ein wenig aufgestachelt haben; den allergrößten Wert aber wird sie für die Ehemänner haben, die kühn genug sind, zu den Mitteln eines rücksichtslosen Machiavellismus zu greifen, wie jener große König von Frankreich, der das Glück der Nation zu begründen suchte, indem er die Köpfe einiger großer Lehnsvasallen fallen ließ. Die Frage ist ganz die gleiche. Es handelt sich stets darum, einige Glieder zu amputieren oder zu schwächen, damit das Ganze besser gedeihe.
Glaubst du im Ernst, ein Junggeselle, der von Haneakraut, von Gurken und Portulak lebt, der sich Blutegel an die Ohren setzen läßt, wie Sterne es empfiehlt – ein solcher Junggeselle wäre der rechte Mann, gegen die Ehre deiner Frau mit Erfolg Sturm zu laufen? Nimm an, ein Diplomat wäre so geschickt gewesen, auf Napoleons Schädel einen dauernden Breiumschlag von Leinsamen zu befestigen oder ihm jeden Morgen ein Honigklistier verabfolgen zu lassen – glaubst du, Napoleon, Napoleon der Große, hätte Italien erobert? Hat Napoleon während des russischen Feldzuges die entsetzlichen Schmerzen eines Harnzwanges auszuhalten gehabt oder nicht? Dieses ist eine jener Fragen, die für den ganzen Erdball wichtig gewesen sind. Steht es nicht fest, daß abkühlende Mittel, Duschen, Bäder und dergleichen, auf mehr oder minder heftige Schmerzen des Gehirns bedeutenden Einfluß üben? Wenn in der Hitze des Juli jede deiner Poren die eiskalten Limonaden, die du in einem einzigen Zuge ausgeschlürft hast, langsam wieder durchsintern läßt und einer glühenden Atmosphäre zurückerstattet hast du da jemals diesen Mut, diese Kraft des Gedankens, diese ungeschmälerte Energie in dir gespürt, durch die einige Monate früher das Dasein dir leicht und angenehm war? Nein, nein, mag in den härtesten Stein ein Stück Eisen noch so genau eingefügt sein, es wird in dem dauerhaftesten Baudenkmal klaffende Risse hervorbringen, die zuletzt zu dessen Einsturz führen müssen – und der Grund dafür ist der geheime Einfluß der langsamen und unsichtbaren Übergänge von Wärme zu Kälte und von Kälte zu Wärme, die die Vorgänge in der Atmosphäre beherrschen. Wenn also die atmosphärischen Vorgänge Einfluß auf den Menschen haben, so wollen wir grundsätzlich zugeben, daß der Mensch einen noch stärkern Einfluß auf die Phantasie von seinesgleichen ausüben muß, indem er mit größerer oder geringerer Kraft seinen Willen zur Geltung bringt; denn dieser Wille umgibt ihn mit einer wirklichen Atmosphäre.
Von diesem Grundsatz geht jedes Schauspielertalent, geht jede Poesie, geht jeder Fanatismus aus – denn dieser ist eine Beredsamkeit in Handlungen, wie jene eine Beredsamkeit in Worten ist; mit einem Wort: wir haben hier den Anfang einer Wissenschaft, die in diesem Augenblick noch in den Windeln liegt.
Dieser ›Wille‹, der so machtvoll von Mensch zu Mensch wirkt, diese nervöse und flüchtige, so ungemein leicht bewegliche und übertragbare Kraft ist selbst von dem wechselnden Zustand unserer Organisation abhängig, und viele Umstände tragen dazu bei, in diesem schwachen Organismus Veränderungen hervorzubringen.
Hiermit schließen wir unsere metaphysische Bemerkung und kehren zur Betrachtung der Umstände zurück, die auf den Willen des Mannes wirken und diesen Willen zur höchsten Kraftentwicklung emporheben oder auf den Tiefpunkt der Schwäche herabbringen.
Jetzt bitten wir aber, nicht zu glauben, wir wollten
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