Physiologie der Ehe (German Edition)
Erschöpfung können sie dieser energischen Nahrung nicht entbehren.‹ Man glaube mir nur, die Liebe, die eine Tänzerin einflößt, ist recht trügerisch: voll Ärgers trifft man in einer künstlich gemachten Frühlingslandschaft auf einen kalten, geizigen Boden; die Sinne einer Tänzerin sind nicht zu entflammen. Die kalabrischen Ärzte verordnen den Tanz als Heilmittel für die hysterischen Leidenschaften, die unter den Frauen jenes Landes allgemein verbreitet sind, und die Araber behandeln so ziemlich nach demselben Rezept die edlen Stuten, deren zu geiles Temperament ihre Befruchtung verhindert. ›Dumm wie ein Tänzer‹ – ist ein beim Theater allgemein gangbares Sprichwort. Kurz und gut, die besten Köpfe Europas sind überzeugt, daß jeder Tanz in sich eine außerordentlich abkühlende Wirkung trägt.
Um dies alles zu beweisen, müssen wir allerdings noch andere Beobachtungen anführen. Dem Leben der Hirten entsprangen zügellose Ausschreitungen der Liebe. Die Weberinnen waren in ganz Griechenland wegen ihrer abscheulichen Sitten verschrien. Die Italiener haben der sinnlichen Lüsternheit hinkender Weiber ein eigenes Sprichwort gewidmet. Die Spanier, in deren Adern durch so viele Blutmischungen auch die afrikanische Zügellosigkeit geriet, geben ihre geheimen Wünsche in einem Sprichwort kund: Muger y gallina pierna quebrantada – ›Von Weibern und Hühnern sind die Humpelbeine die besten.‹ Das tiefe Verständnis der Orientalen für die Kunst der Sinnenfreuden enthüllt sich in seinem vollen Umfang durch den Erlaß des Kalifen Hakim, des Begründers der Sekte der Drusen, der bei Todesstrafe in seinen Ländern die Anfertigung irgendwelcher Fußbekleidungen für Frauen verbot. Wie es scheint, können auf dem ganzen Erdball die Stürme des Herzens nur zum Ausbruch kommen, wenn die Beine Ruhe haben!«
Wundervolles Verfahren, eine Frau tanzen zu lassen und sie nur mit weißem Fleisch zu nähren!
Man glaube nur nicht, daß diese ebenso wahren wie geistreich ausgedrückten Beobachtungen unserm vorher entwickelten System zuwiderlaufen; durch das eine wie durch das andere wird es dir gelingen, bei einer Frau die so außerordentlich wünschenswerte Schlaffheit hervorzurufen, die eine Bürgschaft für Ruhe und Behagen ist. Bei Anwendung des zuletzt genannten Systems läßt du eine Tür offen, durch die der Feind entfliehen kann und soll; durch das andere System tötest du ihn.
Hier kommt es uns nun vor, wie wenn gewisse überbedenkliche und kurzsichtige Leute im Namen der Sittlichkeit und des Gefühls gegen unsere Hygiene Einsprache erhöben:
Ist denn nicht auch die Frau mit einer Seele begabt? Hat sie nicht Gefühlsbewegungen gerade wie wir? Mit welchem Recht mißachtet man ihre Schmerzen, ihre Ideen, ihre Bedürfnisse und bearbeitet sie wie ein gemeines Metall, woraus der Arbeiter ein Löschhorn oder einen Leuchter macht? Vielleicht weil diese armen Geschöpfe bereits schwach und unglücklich sind, maßt ein rücksichtsloser Mensch sich die Gewalt an, sie bloß zur Durchführung seiner mehr oder minder richtigen Ideen zu quälen? Und wenn ihr nun durch euer schwächendes oder erhitzendes Verfahren, das die Fibern größer oder weicher macht oder ihnen eine andere Form gibt, furchtbare und schmerzhafte Krankheiten verursachtet, wenn ihr eine Frau, die euch teuer ist, ins Grab brächtet; wenn, wenn usw.
Hierauf antworten wir:
Hast du jemals gezählt, wie viele verschiedene Formen Harlekin und Pierrot ihrem kleinen weißen Hütchen zu geben wissen? Sie drehen und wenden es so geschickt, daß sie nach und nach einen Kreisel, ein Boot, ein Trinkglas, einen Halbmond, ein Barett, einen Korb, einen Fisch, eine Peitsche, einen Dolch, ein Kind, einen Menschenkopf u.a.m. daraus machen.
Genaues Abbild des Despotismus, womit du deine Frau bearbeiten und wieder bearbeiten mußt!
Die Frau ist ein Eigentum, das man vertragsmäßig erwirbt, und zwar ein bewegliches Eigentum, denn der Besitz ist so gut wie der Besitztitel; kurz und gut, die Frau ist im eigentlichen Sinne des Wortes nur ein Anhängsel des Mannes; also behaue sie nur, beschneide sie, stutze sie zu – sie ist in aller Form Rechtens dein. Beunruhige dich nicht im geringsten um ihr Stöhnen, ihr Schreien, ihre Schmerzen: die Natur hat sie zu unserm Gebrauch geschaffen, damit sie alles trage: Kinder, Kummer, Prügel und Schmerzen um den Mann.
Man beschuldige uns der Härte! In allen Gesetzbüchern der sogenannten Kulturvölker hat der Mann die Gesetze
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