Physiologie der Ehe (German Edition)
den Sinnen.
Und du wolltest in gutmütiger Einfalt glauben, daß die Manieren und Gefühle eines Mannes wie du, der sich meistens in Gegenwart seiner Frau ankleidet, sich auskleidet und ..., usw., es zu ihrem Vorteil mit den Gefühlen dieser Bücher und mit der Erscheinung dieser Phantasieliebhaber aufnehmen können, an deren Kleidern die schöne Leserin kein Loch und keinen Fleck entdeckt? Armer Dummkopf! Zu spät, ach! zu ihrem Unglück und zu deinem, würde deine Frau durch eigene Versuche erkennen, daß die ›Helden‹ der Poesie ebenso selten sind, wie die ›Apollos‹ der Bildhauerkunst!
Viele Ehemänner werden in Verlegenheit sein, wie sie es anfangen sollen, ihre Frauen vom Lesen abzuhalten; manche werden sogar behaupten, das Lesen habe den Vorteil, daß sie wenigstens wüßten, was ihre Frauen tun, wenn sie lesen. Übrigens wirst du in der folgenden Betrachtung sehen, wie sehr ein allzu häusliches Leben in einer Frau die kriegerischen Instinkte erweckt; aber hast du denn niemals einen jener poesielosen Menschen kennen gelernt, die es fertig bringen, ihre armen Lebensgefährtinnen gefühllos wie Stein zu machen, indem sie aus dem Leben eine rein mechanische Sache machen? Beobachte diese großen Männer in ihren Reden, lerne die bewunderungswürdigen Gründe auswendig, mit denen sie die Poesie und die Freuden der Einbildungskraft verdammen!
Sollte aber trotz allen deinen Anstrengungen deine Frau durchaus lesen wollen – so stelle ihr augenblicklich alle möglichen Bücher zur Verfügung, von der Abc-Fibel ihres Bübchens bis zu ›René‹, der in ihren Händen gefährlicher für dich ist als ›Thérese philosophe‹. Du könntest sie zu einem tödlichen Abscheu vor allem Lesen bringen, wenn du ihr langweilige Bücher gäbest; könntest sie völlig blödsinnig machen mit ›Marie Alacoque‹, der ›Brosse de Pénitence‹, oder mit den Liedern, die zur Zeit Ludwigs des Fünfzehnten Mode waren; aber du wirst später in diesem Buche die Mittel angegeben finden, die Zeit deiner Frau so geschickt in Anspruch zu nehmen, daß es ihr überhaupt nicht möglich ist, zu lesen.
Und dann sieh mal, welche ungemeine Hilfe du in unserer Mädchenerziehung hast, um deine Frau von ihrer vorübergehenden Neigung für die Wissenschaft bald wieder abzubringen! Sieh doch nur, mit welchem wunderbaren Stumpfsinn die Mädchen sich in das Unterrichtssystem gefügt haben, das man in Frankreich für sie ausgesonnen hat! Wir übergeben sie Kindermädchen, Gesellschaftsfräuleins, Gouvernanten, bei deren Unterricht zwanzig Lügen der Koketterie und der falschen Scham auf einen einzigen ihnen eingeflößten edlen und wahren Gedanken kommen. Die Mädchen werden als Sklavinnen erzogen und gewöhnen sich an den Gedanken, sie seien nur dazu auf der Welt, es ebenso zu machen wie ihre Großmütter, Kanarienvögelhecken zu halten, Pflanzensammlungen anzulegen, kleine bengalische Topfrosen zu begießen, Stickrahmen auszufüllen oder Kragen zu häkeln. Ein kleines Mädchen mag mit zehn Jahren gewandter sein als ein Junge, aber mit zwanzig ist sie schüchtern und linkisch. Sie wird Angst vor einer Spinne haben, wird Nichtigkeiten reden, wird an ihre Fähnchen denken, wird von Moden sprechen und dabei weder den Mut haben, eine umsichtige Mutter noch eine keusche Gattin zu sein.
Wie hat man sie so weit gebracht? Man hat sie gelehrt, ein paar Rosen in Aquarell auszutuschen, Halstücher zu sticken, womit sie täglich acht Sous verdienen können. Sie werden die Geschichte von Frankreich aus dem Ragois gelernt haben, die Chronologie aus den ›Geschichtstafeln des Bürgers Chantreau‹, und man wird ihre junge Phantasie an der Geographie sich haben austoben lassen – alles zu dem Zweck, ihrem Herzen nichts Gefährliches nahe zu bringen; zu gleicher Zeit aber wiederholten ihnen unermüdlich ihre Mütter und ihre Lehrerinnen, die ganze Wissenschaft einer Frau bestehe in der Kunst, mit jenem Feigenblatt umzugehen, das unsere Mutter Eva zuerst anlegte. Fünfzehn Jahre lang haben sie, wie Diderot sagte, nichts anderes gehört als: ›Liebes Kind, dein Feigenblatt sitzt schlecht; liebes Kind, dein Feigenblatt steht dir gut; liebes Kind, wäre es nicht besser, wenn dein Feigenblatt auf die oder die Art zurechtgemacht würde?‹
Laß also deine Gattin in diesem schönen und edlen Kreise weiblicher Kenntnisse bleiben. Sollte deine Frau zufällig eine Bibliothek haben wollen, so kaufe ihr Florian, Malte-Brun, das ›Kabinett der Feen‹, die
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