Physiologie der Ehe (German Edition)
einrücken zu lassen.
Das Getränk deiner Frau sei Wasser, das durch einen angenehm schmeckenden, jedoch nicht tonischen Burgunderwein leicht gefärbt ist; jeder andere Wein wäre von Übel. Leide niemals, daß sie reines Wasser als Getränk nimmt. Du wärest verloren!
»Stürmisches Naß! Sobald du gegen die Schleusen des Gehirns andrängst, flugs geben sie deiner Wucht nach! In den Fluten taucht die Neugier auf und winkt ihren Gefährtinnen, sie möchten ihr folgen: sie stürzen sich mitten in den Strom. Träumend setzt sich die Phantasie ans Ufer. Sie folgt der Strömung mit den Augen und macht aus Strohhalmen und Zweiglein Fockmast und Bugspriet. Kaum hat sich die Metamorphose vollzogen, so erscheint, mit der einen Hand ihr bis zum Knie aufgerafftes Kleid haltend, die Sehnsucht, sieht die Phantasiegebilde und bemächtigt sich ihrer. O ihr Wassertrinker! Mit Hilfe dieser Zauberkraft habt ihr wohl so oft nach eurem Belieben die Welt gewandelt, habt die Ohnmächtige mit Füßen getreten, ihr Antlitz zermalmt und zuweilen sogar Gestalt und Aussehen der Natur verändert?«
Solltest du durch dieses System der Untätigkeit in Verbindung mit unserer Ernährungsmethode noch keine befriedigenden Ergebnisse erlangen, so stürze dich ohne Zögern in ein anderes System, das wir dir näher auseinandersetzen wollen:
Der Mensch besitzt eine bestimmte Menge von Lebens- oder Willenskraft. Dieser Mann oder jene Frau verhält sich zu einem andern Menschen wie zehn zu dreißig oder wie eins zu fünf – und einen gewissen Höhegrad überschreitet kein einziger von uns. Die Menge von Lebens- oder Willenskraft, die ein jeder von uns besitzt, schwillt an und ab wie der Ton: bald ist sie stark, bald schwach; sie unterliegt Wandlungen, je nach der Anzahl von Oktaven, die sie durchmessen darf. Diese Kraft ist einzig in ihrer Art; obwohl sie sich in Begierden, in Leidenschaften, in geistigen Tätigkeiten oder in körperlichen Eigenschaften auflöst, eilt sie noch stets an den Ort, an den der Mensch sie ruft. Ein Boxer verausgabt sie in Faustschlägen; der Bäcker knetet mit ihr sein Brot; der Dichter verbraucht sie in einer seelischen Erregung, und zwar in ungeheuren Mengen; der Tänzer läßt sie in seine Beine strömen; kurzum jeder verteilt diese Kraft nach seiner Phantasie, und ich will heute abend den Minotauros ruhig auf meinem Bette sitzen sehen, wenn du nicht ebensogut wie ich weißt, wo der Mensch am meisten davon verausgabt. Fast alle Menschen verzehren in notwendigen Arbeiten oder in den Nervenzuckungen verderblicher Leidenschaften diese schöne Menge von Lebens- und Willenskraft, die die Natur ihnen zum Geschenk gemacht hat; aber vor allem sind unsere anständigen Frauen eine willenlose Beute der Launen und Angriffe dieser Macht, die nicht weiß, an welchem Punkt sie ihre Kräfte soll wirken lassen. Wenn die Energie deiner Frau nicht schon dem diätetischen Verfahren unterlegen ist, so bringe sie in eine stets an Schnelligkeit zunehmende Bewegung hinein. Bringe es dahin, daß die Gesamtsumme der Kraft, die dich belästigt, in einer Beschäftigung aufgeht, die sie völlig in Anspruch nimmt. Man braucht eine Frau nicht an eine Tretmühle zu fesseln – es gibt tausend Mittel, sie durch eine beständige Arbeit zu ermüden.
Die Mittel der Ausführung wollen wir dir anheimstellen, denn diese schwanken nach recht vielen Umständen; nur wollen wir dich auf den Tanz aufmerksam machen, der einer der schönsten Abgründe ist, in denen die Liebeleien ihr Grab finden. Da dieser Gegenstand von einem unserer Zeitgenossen recht angemessen behandelt worden ist, so wollen wir ihm das Wort lassen:
»So manches arme Opfer, das den Zauberkreis eines Tanzsaales bewundert, muß seine Erfolge recht teuer bezahlen. Welche Frucht darf man von Anstrengungen erwarten, die den Kräften des zarten Geschlechtes so wenig angemessen sind? Die Muskeln werden ohne Vernunft angestrengt und verbrauchen ohne Maß und Ziel die Kräfte der Tänzerin. Die Geister, deren Bestimmung es war, das Feuer der Leidenschaften und der Gehirntätigkeit zu nähren, werden von ihrem Wege abgelenkt. Die Abwesenheit von Begierden, die Vorliebe für Ruhe, die ausschließliche Wahl kräftiger Nahrungsmittel – dies alles deutet auf eine geschwächte Natur hin, die mehr nach Wiederherstellung ihrer Kräfte als nach Genüssen strebt. Mit Recht sagte mir eines Tages ein Einheimischer der Kulissenwelt: ›Wer mit Tänzerinnen gelebt hat, hat von Hammelfleisch gelebt; denn in ihrer
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