Physiologie der Ehe (German Edition)
während dieser drei Tage bemerkt?«
»Halten Sie mich für ein Kind?« antwortete er mir achselzuckend. »Niemals in meinem Leben bin ich so heiter gewesen.«
»Sie sind ein unbekannter großer Mann!« rief ich, »und Sie sind kein ...«
Er ließ mich nicht zu Ende sprechen; denn er verschwand, da er in diesem Augenblick einen seiner Freunde bemerkte, der die Absicht zu haben schien, die Vicomtesse zu begrüßen.
Könnten wir noch etwas hinzufügen, was nicht eine langweilige Umschreibung der in diesem Gespräch enthaltenen Lehren wäre? Jedes Wort desselben ist entweder Keim oder Frucht. Und doch, ihr seht es, o Ehemänner: euer Glück hängt an einem Haar!
Theorie des Bettes
Es war ungefähr sieben Uhr abends. Auf ihren akademischen Sesseln saßen sie in einem Halbkreis vor einem ungeheuren Kamin, worin traurig ein Steinkohlenfeuer brannte – ewiges Symbol des Gegenstandes ihrer wichtigen Beratung. Wenn man die ernsten und dabei leidenschaftlichen Gesichter aller Mitglieder dieser Versammlung sah, so erriet man leicht, daß ihr Spruch für Leben, Schicksal und Glück von ihresgleichen entscheidend war. Wie die Beisitzer eines geheimnisvollen Gerichtshofes der alten Zeit hatten sie ihre Vollmacht nur von ihrem eigenen Gewissen erhalten; aber sie vertraten ungeheuer viel größere Interessen, als die von Königen oder Völkern: sie sprachen im Namen der Leidenschaften und des Glückes der unzähligen Menschengeschlechter der Zukunft.
Der Enkel des berühmten Boulle saß vor einem runden Tisch, auf dem das mit außerordentlicher Geschicklichkeit angefertigte Beweisstück stand; ich saß an diesem Tisch, der als Schreibtisch diente, als bescheidener Sekretär, um bei dieser Sitzung das Protokoll zu führen.
»Meine Herren!« sagte ein alter Herr. »Die erste Frage, über die Sie zu beraten haben, steht klar und deutlich in der folgenden Stelle eines Briefes, den die Witwe Monsieurs, des Bruders Ludwigs des Vierzehnten, die Mutter des Regenten, an die Prinzessin von Wales, Karoline von Ansbach, schrieb: ›Die Königin von Spanien besitzt ein sicheres Mittel, um ihren Mann dahin zu bringen, daß er alles sagt, was sie will. Der König ist fromm; er würde glauben, in Ewigkeit verdammt zu sein, wenn er eine andere Frau anrührte als die seinige, und dabei ist dieser brave Fürst von sehr verliebter Naturanlage. Hierdurch erhält die Königin von ihm alles, was sie will. Sie hat nämlich das Bett ihres Mannes mit Rollen versehen; verweigert er ihr etwas, so schiebt sie sein Bett weit von dem ihrigen ab. Bewilligt er ihr ihre Bitte, so nähern sich die Betten wieder einander, und sie erlaubt ihm den Zutritt in das ihrige. Und das größte Glück des Königs, der eine ganz außerordentliche Anlage ...‹ Weiter werde ich nicht zitieren, meine Herren, denn die tugendhafte Freimütigkeit der deutschen Prinzessin könnte hier für Unmoralität ausgegeben werden.
»Dürfen vernünftige Ehemänner Rollenbetten benutzen? Dies ist das Problem, dessen Lösung uns obliegt.«
Die Einhelligkeit der Stimmen ließ keinen Zweifel über die Meinung der Anwesenden. Ich erhielt den Befehl, in das Protokollbuch einzutragen, daß, wenn zwei Ehegatten in zwei getrennten Betten, aber in demselben Zimmer schliefen, die Betten auf keinen Fall Rollfüße haben dürften.
»Indessen darf diese Entscheidung«, bemerkte eines der Mitglieder, »in keiner Weise den Beschlüssen Eintrag tun, durch die wir feststellen wollen, auf welche Weise Eheleute ihre Schlafzimmer am besten einrichten.«
Der Präsident reichte mir ein elegant gebundenes Buch: es war die im Jahre 1788 veröffentlichte Originalausgabe der Briefe von Madame Charlotte Elisabeth von der Pfalz, Witwe Monsieurs, des einzigen Bruders Ludwigs des Vierzehnten – und während ich die zitierte Stelle abschrieb, fuhr er fort:
»Aber, meine Herren, Sie haben jedenfalls die Tagesordnung in Ihre Wohnung zugeschickt bekommen und wissen daher, wie unsere zweite Frage lautet.« »Ich bitte ums Wort!« rief der jüngste der hier versammelten Eifersüchtigen.
Der Präsident setzte sich, nachdem er durch eine Handbewegung dem jungen Herrn das Wort erteilt hatte.
»Meine Herren,« sagte der junge Ehemann, »sind wir auch genügend vorbereitet, um über einen so wichtigen Gegenstand zu beraten, wie es die fast allgemeine Unvollkommenheit der Betten ist? Hat diese Frage nicht eine größere Tragweite, ist sie nicht mehr als eine einfache Schwierigkeit, die ein geschickter Schreiner lösen
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