Physiologie der Ehe (German Edition)
Vergnügen verschafft hat, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ohne die Unterhaltung mit Ihnen würde ich ganz gewiß einige Ideen, die uns beiden gemeinsam waren, weniger gut vorgetragen haben, als Sie es getan. Daher bitte ich Sie auch um Erlaubnis, diese Unterhaltung veröffentlichen zu dürfen. Wo wir beide politische Künste hoher Art gesehen haben, werden andere vielleicht mehr oder minder beißende Ironien entdecken, und ich werde in den Augen beider Parteien für einen gescheiten Mann gelten.«
Während ich versuchte, dem Vicomte – dem ersten Ehemann, der so recht nach meinem Herzen war – meinen Dank auszusprechen, führte er mich noch einmal durch seine ganze Wohnung, in der ich nichts fand, was einen Tadel verdient hätte.
Ich wollte mich von ihm verabschieden, als er die Tür eines kleinen Boudoirs öffnete und es mir mit einer Miene zeigte, wie wenn er sagen wollte: »Kann hier die geringste Unordnung vorgehen, ohne daß mein Auge sie sofort bemerkt?«
Ich antwortete auf die stumme Frage durch eine Neigung des Kopfes, wie die Gäste als Zeichen der Anerkennung für ihren Gastgeber sie machen, wenn sie eine besonders gelungene Speise kosten.
»Mein ganzes System«, sagte er mir leise, »ist mir durch drei Worte eingegeben, die mein Vater den Kaiser Napoleon im Staatsrat aussprechen hörte, als dort über das Ehescheidungsgesetz beraten wurde.›Der Ehebruch‹, rief der Kaiser, ›ist eine Kanapeeangelegenheit!‹ Nun sehen Sie her: Ich habe mir aus diesen Mitschuldigen der Ehebrecherin Spione gemacht.« Bei diesen Worten zeigte mir der Staatsrat einen Diwan, der mit einem teefarbenen Kaschmir überzogen war. Die Kissen des Kanapees waren ein wenig zerknittert. »Sehen Sie, hieran erkenne ich, daß meine Frau Kopfschmerzen gehabt und sich auf diesem Diwan ausgeruht hat.«
Wir näherten uns dem Diwan und sahen auf dem verhängnisvollen Möbel das Wort Sot [Fußnote: Dummkopf, Hahnrei] gebildet, und zwar durch neckische Verschlingungen von vier Haaren.
»Niemand in meinem Hause hat schwarze Haare!« sagte der Ehemann erbleichend.
Ich machte, daß ich davonkam, denn ich fühlte mich von einer Lachlust ergriffen, die ich nicht leicht hätte unterdrücken können.
»Der Mann ist gerichtet und abgetan!« sagte ich bei mir selber. »Er hat mit allen diesen Hindernissen, mit denen er seine Frau umgeben hat, nichts weiter erreicht, als daß er ihr ein ungeheures Vergnügen gemacht hat.«
Dieser Gedanke betrübte mich. Das Erlebnis machte drei meiner wichtigsten Betrachtungen ganz oder gar zuschanden, und die katholische Unfehlbarkeit meines Buches war in ihrem innersten Wesen angegriffen. Ich hätte bereitwilligst für die eheliche Treue der Vicomtesse der Frau de V... eine Summe bezahlt, womit viele Leute einen einzigen Fehltritt von ihr hätten erkaufen mögen. Aber es war bestimmt, daß ich mein Geld für ewige Zeiten behalten sollte.
Drei Tage nachher traf ich nämlich den Herrn Staatsrat im Foyer der Italienischen Oper. Sowie er mich erblickte, kam er auf mich zu; einem gewissen Schamgefühl folgend, suchte ich ihm auszuweichen; er aber nahm meinen Arm und flüsterte mir ins Ohr:
»Ach! Ich habe drei fürchterliche Tage verlebt. Zum Glück ist meine Frau unschuldig, unschuldiger vielleicht als ein neugetauftes Kind ...«
»Sie hatten mir bereits gesagt, Frau Vicomtesse sei sehr geistreich ...« erwiderte ich mit einer etwas boshaften Naivität.
»O, heute abend kann ich schon einen Spaß vertragen, denn heute morgen habe ich unwiderlegbare Beweise für die Treue meiner Frau erhalten. Ich war sehr frühzeitig aufgestanden, um eine dringliche Arbeit fertig zu machen. Als ich in der Zerstreutheit einen Blick in meinen Garten werfe, sehe ich plötzlich den Kammerdiener eines Generals, dessen Haus neben dem meinigen liegt, über die Mauer klettern. Die Zofe meiner Frau streckte ihren Kopf aus dem Hausflur heraus, streichelte meinen Hund und deckte auf diese Weise den Rückzug des Galans. Ich nehme mein Fernrohr, richte es auf den Schlingel ... der Kerl hat pechkohlschwarze Haare! Ah! Niemals habe ich das Gesicht eines Christenmenschen mit größerm Vergnügen angesehen! Aber wie Sie sich wohl denken können, noch im Laufe des Tages ist das Gitterwerk des Spaliers von der Gartenmauer entfernt worden. Also, mein werter Herr,« fuhr er fort, »wenn Sie sich verheiraten, legen Sie Ihren Hund an die Kette und bestreuen Sie alle Ihre Mauerkronen mit Flaschenscherben.«
»Und hat Frau Vicomtesse Ihre Unruhe
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