Physiologie der Ehe (German Edition)
ich ihr fortwährend Spazierfahrten im Boulogner Hölzchen vor, ab und zu ist ein neuer Wagen zu probieren, es sind Besuche abzustatten, usw. Und das ist noch nicht alles. Der schönste Schmuck einer Frau ist eine auserlesene Sauberkeit, die größte Sorgfalt in dieser Hinsicht kann niemals übertrieben und niemals lächerlich sein; ihre Toilette gibt mir ebenfalls noch Mittel an die Hand, sie um die schönsten Augenblicke ihres Tages zu bringen.«
»Sie sind würdig, meine Lehren zu vernehmen!« rief ich. »Herr Vicomte, Sie werden sie täglich vier Stunden beschäftigen, wenn Sie ihr eine Kunst beibringen wollen, die den elegantesten Modedamen unserer Zeit unbekannt ist! Schildern Sie Ihrer Frau Gemahlin die wunderbaren Toilettenkünste, die der orientalische Luxus der römischen Damen geschaffen hatte, zählen Sie ihr die Sklavinnen auf, die bloß im Bade von der Kaiserin Poppäa gebraucht wurden! Erzählen Sie ihr von jener Menge von Sklavinnen, die Mirabeau in seinem ›Erotika Biblion‹ aufgerechnet hat. Wenn sie nun versucht, alle diese Leute zu ersetzen, so bekommen Sie dadurch schöne Stunden der Ruhe, ganz abgesehen von den persönlichen Annehmlichkeiten, die Sie dadurch haben, daß in Ihrem Hause die Toilettenkunst dieser berühmten Römerinnen Eingang findet, deren kunstvoll frisierte Haare mit Wohlgerüchen betaut wurden, deren Adern von einem neuen Blut durchströmt zu werden schienen, indem ihr Leib zu den Klängen einer wollüstigen Musik mit Myrrhen, Linnen, Wohlgerüchen, klaren Wassern und Blumen gepflegt wurde.«
»Ei, mein werter Herr!« versetzte der Ehemann, der immer mehr in Aufregung geriet, »bietet mir nicht ihre Gesundheit wunderbare Vorwände? Diese so kostbare und mir so teure Gesundheit erlaubt mir, ihr jedes Ausgehen bei schlechtem Wetter zu untersagen, und damit gewinne ich ein volles Viertel des Jahres. Auch habe ich den lieblichen Brauch eingeführt, daß keines von uns beiden jemals ausgeht, ohne dem andern den Abschiedskuß zu geben und dazu zu sagen: ›Mein lieber Engel, ich gehe aus.‹ Endlich habe ich auch für die Zukunft vorzusorgen gewußt und meine Frau für immer zu einer Gefangenen ihrer Häuslichkeit gemacht, wie einen Soldaten, der in seinem Schilderhause steht! Ich habe ihr eine unglaubliche Begeisterung für die geheiligten Pflichten der Mutterschaft eingeflößt.«
»Wohl, indem Sie ihr widersprachen?« fragte ich.
»Sie haben's erraten!« sagte er lachend. »Ich behauptete ihr gegenüber, es sei einer Dame der feinen Welt unmöglich, ihre gesellschaftlichen Pflichten zu erfüllen, ihren Haushalt zu führen, sich allen Launen der Mode sowie denen eines geliebten Gatten hinzugeben, und dabei ihre Kinder zu erziehen. Darauf behauptete sie, sie würde nach Catos Beispiel, der die Amme überwachte, wie sie die Windeln des großen Pompejus wechselte, keinem andern Menschen die sorgfältige Pflege der bildsamen Geister und der zarten Körperchen dieser kleinen Wesen überlassen, deren Erziehung in der Wiege beginnt. Sie begreifen, mein Herr, meine Ehestandsdiplomatie würde mir nicht viel nützen, wenn ich mich nicht eines unschuldigen Machiavallismus bediente, der darin besteht, sie beständig dazu aufzufordern, sie möge nur tun, was sie wolle, und sie bei allem und jedem um ihre Meinung zu befragen. Da nun diese Scheinfrage eine recht geistreiche Frau täuschen soll, so bringe ich selbst alle möglichen Opfer, um meine Gemahlin zu überzeugen, daß sie die freieste Frau in ganz Paris sei; und um diesen Zweck zu erreichen, hüte ich mich wohl, eine jener groben politischen Tölpeleien zu begehen, die unsere Minister sich so oft entschlüpfen lassen.«
»Ich verstehe Sie!« sagte ich; »wenn Sie Ihrer Frau eins der in der Hausverfassung ihr gewährleisteten Rechte eskamotieren wollen, so nehmen Sie eine sanfte und gemessene Miene an, verbergen den Dolch unter Rosen, bohren ihn ihr vorsichtig ins Herz und fragen dabei mit der Stimme eines besorgten Freundes: ›Mein Engel, tut es dir weh?‹ Wie gewisse Leute, denen man auf den Fuß getreten hat, wird sie Ihnen vielleicht antworten: ›Im Gegenteil!‹«
Er lächelte unwillkürlich und sagte:
»Wird meine Frau nicht beim Jüngsten Gericht recht erstaunt sein?«
»Ich weiß nicht,« antwortete ich ihm, »wer von Ihnen beiden am erstauntesten sein wird: Sie oder sie.«
Der Eifersüchtige zog bereits die Brauen zusammen, aber sein Antlitz wurde wieder heiter, als ich fortfuhr:
»Ich danke dem Zufall, der mir das
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