Picasso kann jeder
Klara aus der Kanzlei an, um sie zur Übernahme einer Extraarbeit aufzufordern. Dabei hat sie das Telefon in der Erwartung laut gestellt, Klara werde sich wieder lautstark aufregen. Tatsächlich tritt genau das ein, und die Angestellten der Kanzlei hören den Wutausbruch mit. Es kommt zu einem Gespräch mit der Vorgesetzten, in der die Mädchen zur Unterlassung ihrer »Kindereien« aufgefordert werden. Klara sieht in der ganzen Sache nicht gut aus. In der »Listberatung« entscheiden wir uns für die Strategie »Der Stoß ist der Zug«. Der Stoß, den sie erhält, ist die Forderung, wegen der Krankheit der Kollegin mehr zu arbeiten: Wie kann man daran »ziehen«? Ganz einfach, indem Klara, statt wütend zu werden, bereitwillig Giselas Arbeiten übernimmt. Klara bietet dies sogar an und vergisst nicht, zu erwähnen, sie verstehe ja, dass Gisela wenig oder kaum belastbar sei. Dadurch erweist sich Klara als solidarische Mitarbeiterin – und überlistet Gisela nicht sofort, aber auf lange Sicht.
»Die Maus blickt der Katze frech ins Gesicht«
Der Name dieser List beruht auf einer genauen Beobachtung der Tierwelt. Eine Katze wird nur eine fliehende Maus jagen (man will sich ja nicht für jedes Mittagessen in Gefahr bringen). Wenn die Maus sich umdreht und der Katze ins Gesicht schaut, ist sie (meist) gerettet.
Die List gibt es unter verschiedenen Bezeichnungen auch im Westen. Beim Pokern nennt man ein ähnliches Vorgehen »bluffen«. Man tut eben nur so, als ob man eine gute Karte hätte.
Dazu gehören immer Mut und Risikobereitschaft. Wer will garantieren, dass die Katze nicht doch angreift, und sei es nur, weil sie blind ist? Der übermächtige Gegner wird durch die eigene Angstfreiheit eingeschüchtert. Er zweifelt vielleicht, ob der offensichtlich Schwächere nicht doch einen Trumpf im Ärmel hat.
Diese List haben wir in einem betrieblichen Konflikt eingesetzt. Der Leiter einer Verlagsabteilung beobachtet schon länger, dass an seinem Stuhl gesägt wird. Es gibt schon einen Nachfolger, und er selbst soll auf eine unbedeutendere Stelle im Verlag abgeschoben werden. Nun beschließt er, statt einfach aufzugeben, ein Strategiepapier zu verfassen, wie sich die von ihm geleitete Abteilung weiterentwickeln kann und weitere Verluste vermieden werden. Er ergreift also die Initiative und lässt die obersten Bosse zweifeln, ob seine Ablösung der richtige Schritt ist.
»Verrücktheit mimen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren«
Der Narr hat die Möglichkeit, unbequeme Wahrheiten auszusprechen, weil er eben nicht ganz ernst zu nehmen ist. Den Verrückten wird man erst gar nicht bestrafen. So kann es in schwieriger Lage, in der man sich gegen feindselige Autoritäten wenden muss, eine nützliche List sein, »Verrücktheit« vorzutäuschen: Man stellt sich vielleicht desorientiert, uninformiert oder unaufmerksam.
Das folgende Beispiel passt im weiteren Sinne zu diesem List-Typ:
Hans-Dieter macht einen etwas lächerlichen Eindruck, um seinen Besitz zu schützen: Auf seinen teuren Leder-Fahrradsattel stülpt er eine ganz billige Duschhaube, die eben besonders schäbig aussieht. So kommt niemand auf die Idee, den Sattel abzuschrauben.
»Einen Backstein hinwerfen, um einen Jadestein zu erhalten«
Ein neuer Freund, der Galerist Franz, ist sehr großzügig. Er lädt seinen Freund zum Essen ein und macht Buchgeschenke aus seiner Galerie. Er lobt den weisen Rat des Freundes, den er gerne suche. Eines Tages ruft er den Freund an und fragt, ob man sich nicht sehr bald einmal in der Stadt treffen könne. Bei dieser Gelegenheit fragt er dann nach einem Kredit über 10 000 Euro und macht dieses Anliegen sehr dringend.
In diesem Fall, von dem mir berichtet wurde, gelang es nicht, den Jadestein (das Darlehen über 10 000 Euro) zu erringen. Ich kann mir aber vorstellen, dass die Strategie der kleinen Geschenke oft sehr erfolgreich ist, um etwas wirklich Wichtiges zu erhalten. Mit den kleinen Geschenken muss man sich allerdings Mühe geben. Sie sollten auf offene und geheime Wünsche des Beschenkten eingehen.
Im folgenden Beispiel war das kleine »Geschenk« »Verantwortung haben« sehr erfolgreich.
Hans ist auf einer Hochzeit eingeladen. Kinder werfen Steine an die Fenster des Festraums. Hans versucht, sich darum zu kümmern. Er spricht das älteste Mädchen an: »Kinder stören das Fest, kannst du nicht dafür sorgen, dass sie keine Steine mehr werfen?« So mit Verantwortung ausgestattet, nimmt das Mädchen sich nun der
Weitere Kostenlose Bücher