Picknick auf dem Eis (German Edition)
Handlung vor hast … Aber wozu brauchst du ein Polizeiauto, ich habe doch einen ›Saporosh‹«, sagte Sergej und lachte.
20
An diesem kalten Samstag morgen stiegen Viktor, Sergej und Mischa-Pinguin aus dem am Ufer des Dnjepr neben den Klostergärten geparkten roten ›Saporosh‹. Sergej zog einen prallgefüllten Rucksack aus dem Kofferraum und schnallte ihn sich auf den Rücken. Sie stiegen die Steintreppe zum zugefrorenen Fluß hinunter.
Der Dnjepr war mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Auf dem Eis saßen im Höflichkeitsabstand voneinander die Eisangler wie unbewegliche, dicke Raben, jeder vor seinem eigenen kleinen Loch.
Viktor, Sergej und Mischa wählten vom Ufer aus einen Weg, auf dem sie die Fischer nicht störten, und wanderten weit auf das Eis des Dnjepr hinaus.
Sie blieben bei jedem nicht besetzten Eisloch stehen, aber entweder war es schon wieder überfroren oder zu klein.
»Gehen wir zur Bucht!« schlug Sergej vor. »Dahin gehen immer die Eisschwimmer…«
Sie überquerten den Dnjepr, dann den engen Landstrich, den sogenannten Schwanz der Insel.
»Da, sieh mal!« Sergej streckte die Hand nach vorn. »Siehst du den blauen Fleck?«
Sie kamen näher und hatten das riesige Eisloch, an dessen Rändern zahlreiche Spuren von nackten Füßen waren, noch nicht einmal richtig in Augenschein nehmen können, als Mischa nach vorne stürzte und leichthin, ohne jeden Spritzer, ins Wasser tauchte.
Viktor und Sergej stockte der Atem, als sie auf das wallende dunkle Gemisch aus Wasser und Eis starrten.
»Sag mal, können Pinguine unter Wasser sehen?« fragte Sergej.
»Bestimmt…«, antwortete Viktor. »Falls man da überhaupt was sehen kann.«
Sergej schnallte den Rucksack ab, zog eine alte wattierte Decke heraus und breitete sie zwei Meter neben dem Eisloch aus.
»Setz dich!« rief er Viktor zu. »Jedem sein Vergnügen.«
Viktor setzte sich, und Sergej holte eine Thermosflasche und zwei Plastiktassen aus dem Rucksack.
»Fangen wir mit Kaffee an!« sagte er.
Der Kaffee war ziemlich süß, aber in der Kälte tat er gut.
»Ich habe leider vergessen, auch was mitzunehmen…«, gestand Viktor mit Bedauern, während er seine Hände an der Kaffeetasse wärmte.
»Macht nichts, dann eben das nächste Mal. Willst du einen Kognak?«
Nachdem er Kognak in den Kaffee gegossen hatte, steckte Sergej den Flachmann wieder in seine Anoraktasche.
»Also dann«, er hob die Tasse hoch. »Auf alles Schöne und Gute im Leben!«
Sie tranken, und die Wärme durchdrang ihre Körper und Gedanken.
»Was meinst du, er wird doch nicht ertrinken?« fragte Sergej und zeigte auf das breite Eisloch.
»Sollte er nicht…« Viktor zuckte mit den Schultern. »Ich weiß überhaupt nichts von Pinguinen… Ich habe Bücher gesucht, aber nichts gefunden…«
»Wenn ich was auftreibe, gebe ich es dir!« versprach Sergej.
Viktor begann, nervös zu werden. Er sah sich nach dem nächsten Angler um, der etwa dreißig Meter entfernt von ihnen hockte. Der Angler saß auf einer Kiste und nahm von Zeit zu Zeit eine große Feldflasche zur Brust.
»Ich gehe mal ein bißchen rum«, sagte Viktor und sah unverwandt zu dem Angler rüber.
»Aber nein, bleib doch hier«, bat Sergej. »Komm, wir trinken noch einen Kognak! Mischa wird schon wieder ans Ufer schwimmen, wo soll er denn hier sonst hin. Er wird ganz sicher nicht ertrinken!«
In dem Eisloch gluckste was, und Viktor sah sofort zu dieser Stelle. Das Gemisch aus Wasser und Eis schwappte auf und nieder.
»Trinken wir auf Mischa!« Sergej hob seine Kognaktasse. »Menschen gibt es viele, Pinguine wenige. Man muß sie schützen!«
Sie nippten am Kognak, und plötzlich gellte in der stillen kalten Luft ein durchdringender Schrei. Viktor und Sergej drehten sich um und sahen, wie etwa fünfzig Meter weiter weg ein Angler von seinem Loch wegsprang und mit beiden Händen auf das Wasser zeigte. Zwei andere Angler liefen zu ihm hin. Ihre kurzen Angeln ließen sie in den Löchern.
»Was hat er bloß?« fragte Sergej.
Viktor drehte sich wieder um, trank genüßlich seinen Kognak und dachte: ›Jeder neue Tag bringt etwas Neues, ganz und gar nicht Vorhersehbares. Und irgendwann bringt ein neuer Tag unvorhergesehene Schwierigkeiten – und vielleicht den Tod.‹
»Sieh nur, sieh nur!« klopfte ihm Sergej auf die Schulter.
Viktor schreckte aus seinen Gedanken auf, sah Sergej an, dann drehte er sich um und sah Mischa-Pinguin, der langsam von der Seite der Insel auf sie zu watschelte.
»Wo ist er
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