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Picknick auf dem Eis (German Edition)

Picknick auf dem Eis (German Edition)

Titel: Picknick auf dem Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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beiden die springenden und tauchenden Pinguine, dann war die Sendung zu Ende. Plötzlich watschelte Mischa auf den Fernseher zu, versuchte ihn mit der Brust umzustoßen, traf aber nur den Hocker, auf dem er stand, so daß der Fernseher ins Wanken geriet.
    »Was machst du denn?!« flüsterte Viktor und fing den Fernseher auf. »Das darfst du nicht!«
    Am nächsten Morgen rief das Krankenhaus an.
    »Ihr Verwandter ist gestorben«, teilte ihm eine ruhige Frauenstimme mit.
    »Wann?« fragte Viktor.
    »Heute nacht… Holen Sie die Leiche ab?«
    Viktor schwieg.
    »Werden Sie ihn beerdigen?« ließ sich die Frauenstimme wieder vernehmen.
    »Ja…« Viktor seufzte schwer.
    »Wir können ihn bis zu drei Tagen in der Leichenhalle aufbewahren«, erklärte ihm die Frau. »Bis Sie die Formalitäten erledigt haben. Vergessen Sie Ihren Paß nicht, wenn Sie ihn abholen kommen…«
    Viktor ließ den Hörer sinken. Er drehte sich zu Sonja um. Sie war wach, lag auf dem Sofa unter der Decke und sah Viktor schläfrig an.
    Es war halb neun.
    »Du kannst noch ein bißchen schlafen«, sagte Viktor zu dem Mädchen und verließ das Zimmer.
    Um zehn kam Nina. Sie war ein wenig erkältet und meinte, sie würden heute zu Hause bleiben.
    »Weißt du zufällig, wo die Wissenschaftler beerdigt werden?« fragte Viktor Nina.
    »Auf dem Baikowo-Friedhof«, antwortete Nina.
    Viktor zog sich warm an und fuhr zum Baikowo-Friedhof.
    Im Verwaltungsgebäude saß eine ältere dicke Frau in einer roten Strickjacke hinter einem Schreibtisch und hielt eine Brille mit starken Gläsern in der Hand.
    Viktor ging um den in der Mitte des Raums stehenden Heizofen herum und setzte sich auf den Stuhl vor die Frau. Sie setzte ihre Brille auf.
    »Ein Bekannter von mir ist gestorben…«, begann er, »ein Wissenschaftler…«
    »Alles klar«, erwiderte die Frau ruhig. »Akademiemitglied?«
    »Nein…«
    »Liegen schon Verwandte von ihm hier?«
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Viktor.
    »Das heißt, Sie brauchen ein Einzelgrab…«, nickte die Frau. Dann schlug sie ein auf dem Tisch liegendes Buch auf, schrieb etwas hinein und schob es Viktor hin.
    Viktor zog das Buch näher zu sich und sah die Zahl: $1000.
    »Der Preis für die Grabstelle«, die Frau senkte die Stimme. »Inklusive Leichenwagen und Aushebung des Grabes. Jetzt ist Winter, Sie wissen ja, der Boden ist gefroren…«
    »In Ordnung«, stimmte Viktor zu.
    »Der Name des Verstorbenen?« fragte sie.
    »Pidpalyj.«
    »Bringen Sie morgen das Geld vorbei, und übermorgen um elf ist die Beerdigung. Sie kommen zuerst hierher, ich sage dann dem Fahrer die Grabnummer. Im übrigen können Sie bei uns auch einen Grabstein bestellen.«
    49
     
    Der nächste Tag schien Viktor der schwerste Tag seines Lebens zu sein. Nein, er mußte nicht den ganzen Tag mit der Organisation der Beerdigung verbringen. Emma Sergejewna, so hieß die Leiterin der Bestattungszeremonien auf dem Baikowo-Friedhof, schrieb ihm den Ablauf des folgenden Tages sorgfältig auf: um 11   Uhr den Leichenwagen mit dem Kennzeichen 66-17 an der Leichenhalle des Oktoberkrankenhauses in Empfang nehmen. Bis zu diesem Zeitpunkt hat der Leichenwäscher für zusätzliche hundert Dollar den Verstorbenen für das Begräbnis vorbereitet. Der Tote wird mit seinen eigenen Sachen eingekleidet und in einem ›nicht teuren, aber gediegenen Kiefernsarg‹ liegen.
    Das Geld befreite Viktor von allen lästigen Mühen, konnte aber nicht die Last von seiner Seele wälzen. Nach Hause gehen wollte er nicht. Da waren Nina und Sonja. Morgens hatte er Nina erzählt, daß sein Freund gestorben war. Nina hatte Verständnis gezeigt und gesagt, sie würde so lange bleiben, bis er zurück käme.
    Aber nach Hause wollte Viktor nicht. Er fuhr nach Podol, saß im ›Bacchus‹, bis das Lokal schloß, und trank dort drei Gläser Rotwein. Nach dem warmen ›Bacchus‹ schlenderte er in Podol herum, bis er merkte, daß ihm langsam kalt wurde.
    Nach Hause kam er gegen neun Uhr.
    »Ich habe eine Suppe gekocht, soll ich sie aufwärmen?« fragte Nina und sah Viktor in die Augen.
    Nach dem Abendessen bat Viktor Nina dazubleiben. Und sie blieb da.
    Sonja schlief im Wohnzimmer, im Schlafzimmer zog Viktor Nina an sich. Sie hatten sich mit zwei Decken zugedeckt, aber Viktor war trotzdem kalt. Nur wenn er Nina an sich drückte, empfand er ein wenig Wärme. Aber sie sah ihn mit so viel Mitleid an, daß es ihm auf die Nerven ging. Er wollte ihr weh tun, preßte sie noch stärker an sich, er fühlte

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