Picknick auf dem Eis (German Edition)
dem Pinguin um.
Viktor trat an den Rand des Grabes, verbeugte sich, warf den Blumenstrauß auf den Deckel. Dann nahm er eine Handvoll Erde und warf sie den Blumen hinterher.
Die Totengräber arbeiteten etwa zehn Minuten mit ihren Spaten, dann hatten sie bereits einen sanften Grabhügel ›modelliert‹. Nach ein paar Minuten waren Viktor und Mischa allein. Die beiden Totengräber waren gegangen, nachdem sie je eine Million in Landeswährung bekommen und zu guter Letzt empfohlen hatten, sie im Mai wieder aufzusuchen, wenn das Grab sich gesenkt hätte. Die anderen fuhren im Leichenwagen weg. Der Fahrer hatte Viktor angeboten, ihn bis zum Friedhofsausgang mitzunehmen, aber er hatte abgelehnt.
Mischa stand regungslos am Grab, als dächte er über etwas nach. Viktor beobachtete die Beerdigung am Nachbargrab. Sie störte ihn, ging ihm mit ihrem Lärm auf die Nerven.
›Merkwürdig‹, dachte er. ›Merkwürdig, in der Rolle des einzigen Trauergasts an einem Grab zu stehen. Wo sind seine Freunde, seine Verwandten? Oder hat er sie mit der Zeit alle verloren und war zuletzt ganz allein? Sicher war es so. Wenn ich mich nicht für Pinguine interessiert hätte… wer würde ihn jetzt begraben? Wer und wo?‹
Die Kälte zwickte ihn in die Wangen, und die Hände ohne Handschuhe wurden klamm. Viktor sah sich wieder um. Er wußte nicht, wie er von hier aus zum Ausgang gelangen sollte, aber das beunruhigte ihn nicht weiter.
»Siehst du, Mischa«, sagte er seufzend und beugte sich zu dem Pinguin herab. »So begraben die Menschen ihre Toten…«
Als der Pinguin die Stimme seines Herrchens hörte, drehte er sich zu ihm um und blinzelte ihn mit seinen kleinen traurigen Augen an.
»Was ist, wollen wir den Ausgang suchen?« fragte Viktor sich selber und sah sich noch einmal nach allen Seiten um. In dem Augenblick kam ein Mann von der anderen Beerdigung herüber.
Dieser Mann winkte ihm zu. Viktor blieb erwartungsvoll stehen. Außer ihm war hier niemand, also meinte der Mann wohl ihn.
Er war nicht groß, hatte einen Bart, trug eine Alaska-Jacke und einen Feldstecher um den Hals.
›Ein merkwürdiger Aufzug für eine Beerdigung‹, dachte Viktor, als er das ihm von irgendwoher bekannte Gesicht betrachtete.
»Entschuldige«, sagte der Bärtige. »Ich habe den Abschnitt überprüft«, er griff nach dem Feldstecher. »Und da sehe ich: ein bekanntes Tier! Deshalb bin ich hergekommen. Erinnerst du dich noch an Neujahr auf den Bullen-Datschas?«
Viktor erinnerte sich und nickte.
»Ich bin Ljoscha«, sagte der Bärtige und streckte die Hand aus.
»Viktor.«
Sie schüttelten sich die Hände.
»Ein Freund?« Ljoscha wies mit dem Kopf auf das frische Grab.
»Ja.«
»Wir begraben da gleich drei…«, seufzte er traurig.
Dann hockte er sich vor den Pinguin und klopfte ihm auf seine kleine Schulter.
»Grüß dich, Pinguin, wie geht’s denn so?« fragte er und sah zu Viktor hoch. »Ich habe vergessen, wie er heißt…«
»Mischa.«
»Ach ja, Mischa, Mischalein! Das Tier im Frack… Eine Schönheit!«
Ljoscha erhob sich, sah zu seinem Begräbnis rüber.
»Weißt du, wo hier der Ausgang ist?« fragte Viktor.
Ljoscha sah sich nach allen Seiten um.
»Nein, so weiß ich das nicht… Wenn du es nicht eilig hast, warte ein bißchen und fahr dann bei mir mit. Das da geht dem Ende zu«, nickte er in die Richtung der Beerdigung. »Sie haben einen furchtbar langweiligen Popen engagiert. Der liest für jeden eine halbe Stunde lang aus der Bibel vor. Okay, bleib hier stehen, ich gebe dir ein Zeichen, wenn es vorbei ist.«
Nach etwa zwanzig Minuten bemerkte Viktor, daß Bewegung in die Trauergesellschaft kam. Die Menschen begannen auseinanderzugehen. Die Motoren der ausländischen Wagen wurden angelassen. Viktor suchte den bärtigen Ljoscha, aber er hatte kein Fernglas, und seine Augen tränten vom kalten Wind. Schließlich entdeckte er, wie jemand ihm zuwinkte.
»Na los, Mischa, komm!« Er machte ein paar Schritte vorwärts und drehte sich zum Pinguin um, der ihm bedächtig folgte.
Als sie zu den drei, mit Kränzen überhäuften Gräbern kamen, stand nur noch ein Auto auf der Allee, ein alter Mercedes.
»Wenn du willst, bringe ich dich nach Hause«, bot Ljoscha an, während sie die Allee auf dem Friedhof entlangfuhren. »Es ist peinlich, als erster beim Leichenschmaus zu erscheinen.«
Viktor war gern einverstanden, und nach einer halben Stunde stand er bereits vor seinem Hauseingang.
»Hier ist meine Telefonnummer, vielleicht treffen
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