Picknick auf dem Eis (German Edition)
Schwelle stehenden Viktor nur erstaunt an.
»War jemand hier?« fragte er.
»Nein«, Nina bemerkte die zerknüllten Scheine in seiner Hand.
»Und der Brief in der Küche? Auf dem Tisch…«
»Ich war noch nicht in der Küche…« Nina zuckte mit den Schultern, und ihre kleinen Apfelbrüste erzitterten.
Viktor machte die Badezimmertür zu und blieb auf dem Flur stehen. Das Plätschern des Wassers lenkte ihn ab, aber er versuchte, sich trotzdem zu konzentrieren. Er erinnerte sich an den gestrigen Abend: Er wußte alles noch ganz genau, sogar, was Nina am Tisch erzählt hatte. Dann war er schlafen gegangen. Und am Morgen diese Spuren… Nein, kein Dreck auf dem Boden, aber die Hinterlassenschaft eines Besuchers…
Dann machte Viktor das Licht auf dem Flur an und untersuchte den Fußboden nach möglichen Spuren des oder der nächtlichen Besucher. Aber der Boden war sauber.
In der Küche kochte er sich Kaffee, setzte sich an den Tisch und erinnerte sich, wie er vor Neujahr den Zettel und die Geschenke von Mischa entdeckt hatte. Alles war genau so wie damals. Jemand war nachts hier eingedrungen und hatte etwas hinterlassen, diesmal mit einem Zettel vom Chef… ›Es geht bergauf…‹, hatte der geschrieben. Hieß das, daß er bald wieder Arbeit haben würde? Also würde er Igor Lwowitsch bald wiedersehen und ihn fragen können, was das für ein Postdienst war, der Schlüssel zu seiner Wohnung besaß.
›Die Schlüssel…‹, dachte Viktor, stand auf, ging auf den Flur und überprüfte die Tür. Sie war verschlossen. Er ging zurück.
Die Idee, das Schloß auszuwechseln, beruhigte ihn. Schlösser konnte man schon seit langem ganz normal kaufen. Auf dem Markt gab es Schlösser mit Warnanlage, mit einem Code, sogar mit einem elektrischen Blockierungssystem. Er könnte sogar zwei Schlösser mit Geheimnummern besorgen, die seine Wohnung, sein persönliches Leben, seinen Schlaf zuverlässig schützen würden…
Nachdem er sich auf diese Weise beruhigt hatte, brühte er Kaffee für Nina auf und wollte ihn ihr gerade bringen, als er ihr an der Tür begegnete. Sie hatte seinen Morgenrock an.
»Ich habe dir einen Kaffee gemacht.«
»Danke«, lächelte Nina, nahm die Tasse und setzte sich an den Tisch.
»Viktor«, sie sah ihn halb ernst, halb bittend an. »Ich wollte sagen…« Sie wurde verlegen und suchte nach Worten. »Na wegen uns… Wir sind ja nun sozusagen zusammen…«
Sie verstummte.
»Was willst du sagen?« fragte Viktor. Es entstand eine Pause, die ihn nervös machte.
»Es ist wegen der Bezahlung«, fuhr Nina endlich fort. »Es ist für mich sehr wichtig, Geld zu verdienen… für Sonja…«
»Natürlich bekommst du dein Geld«, wunderte sich Viktor. »Was denkst du denn?«
Nina zuckte mit den Achseln.
»Verstehst du, es ist mir irgendwie peinlich, wir sind doch jetzt sozusagen… zusammen. Und gleichzeitig arbeite ich bei dir…«
Viktor spürte, wie seine Kopfschmerzen vom Morgen wieder kamen, die sich gerade erst nach der ersten Tasse Kaffee gebessert hatten.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte er zu Nina, aber er lächelte nicht mehr. »Mach dir keine Sorgen. Nicht ich zahle dir das Geld, sondern Sonja. Es ist ihr Geld… das ihres Vaters.«
Nina starrte verwirrt auf den Tisch, auf ihre Kaffeetasse.
»Keine Sorge«, Viktor stand auf, ging zu ihr und streichelte über ihre nassen Haare. »Es ist alles in Ordnung.«
Sie nickte, ohne ihn anzusehen.
»Ich komme heute spät zurück«, sagte Viktor. »Mach niemandem auf. Und das ist für dich, im voraus…« Er legte zwei grüne Scheine auf den Tisch und verließ die Küche.
53
Nachdem er ein bißchen in der Stadt herumgeschlendert war, stieg Viktor in die U-Bahn und fuhr nach Swjatoschino. Nach einigen, anscheinend zufälligen Tauwettertagen war der Februar wieder rauh. Die Sonne schien, der Schnee knirschte unter den Füßen, und die Hände froren in den Taschen der kurzen Pelzjacke. Seine rechte Hand umklammerte den kalten Schlüsselbund von Pidpalyjs Wohnung.
Für den Weg von der U-Bahn zu dem Haus, in dem der Alte gewohnt hatte, brauchte er nur zehn Minuten, offensichtlich machte ihm die Kälte Beine. Ohne zu zögern, betrat Viktor schnell die Wohnung, stampfte im Flur mit den Füßen auf, um den Schnee abzuklopfen, und ging in die Küche. Dort war es sauber, nur der feuchte und stickige Geruch erinnerte ihn sofort an den Tag, als der von ihm gerufene Notdienst Pidpalyj von hier fortgebracht hatte. Für immer.
Die Luft kitzelte in den
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