Picknick mit Bären
Tropen, zu den beiden Polen, begegneten unterwegs kleineren Landmassen und nahmen diese gleich mit. Florida gehörte einst zu Afrika. Eine Ecke von Staten Island ist, geologisch gesehen, ein Teil Europas. Die Meeresküste von New England bis Kanada scheint ursprünglich aus Marokko zu stammen. Teile von Grönland, Irland, Schottland und Skandinavien sind aus dem gleichen Gestein wie der Osten der USA – im Grunde versprengte Vorposten der Appalachen. Es gibt sogar Vermutungen, daß selbst so ferne Berge wie die Shackleton Range in der Antarktis ein Bruchstück aus der Familie der Appalachen ist.
Die Appalachen bildeten sich in drei langen Phasen heraus -ein Vorgang, den man in der Geologie Orogenese nennt: die takonische, die akadische und die alleghenische Phase. Die ersten beiden zeichnen im wesentlichen für den nördlichen Abschnitt der Appalachen verantwortlich, die dritte für die Mitte und den südlichen Teil. Bei der Berührung oder gar dem Zusammenstoß der Kontinente rutschte manchmal eine Kontinentalplatte über die andere, schob den Meeresboden vor sich her und gestaltete somit das Gelände landeinwärts auf einem Streifen von 200 bis 300 Kilometern vollkommen um. In anderen Fällen tauchte die eine Platte unter die andere und hob den Mantel auf, die Folge waren langanhaltende Perioden vulkanischer Aktivitäten und Erdbeben. Manchmal wurden bei den Kollisionen Gesteinsschichten durchstoßen, als würden Karten neu gemischt.
Die Versuchung liegt nahe, sich diesen Vorgang als gigantischen Zusammenstoß zweier Autos vorzustellen, aber natürlich geschah das alles mit unendlicher Langsamkeit. Der protoatlantische Ozean, der Urozean, der während einer der ersten Spaltungen der Landmasse den Raum zwischen den Kontinenten ausfüllte, sieht auf den Darstellungen der meisten Lehrbücher immer wie eine zufällige Pfütze aus – in Abbildung 9A noch vorhanden, in Abbildung 9B verschwunden, als wäre für einen Tag die Sonne herausgekommen und hätte das Wasser verdunsten lassen –, dennoch existierte er viel länger, 100 Millionen Jahre länger als der Atlantische Ozean, so wie wir ihn kennen. Das gleiche gilt für die Entstehung der Berge. Würde man sich in eine der Phasen der Gebirgsbildung der Appalachen zurückversetzen, würde man auch nicht merken, daß große geologische Veränderungen vor sich gingen, genauso wenig wie wir heute spüren, daß Indien sich in einen Teil Asiens bohrt – wie ein Lastwagen, der sich selbständig gemacht hat, in eine Schneeverwehung – und den Himalaja Jahr für Jahr um etwa einen Millimeter anhebt.
Kaum waren die Berge aufgetürmt, fingen sie auch schon ebenso unvermeidlich an zu erodieren. Trotz ihrer scheinbaren Beständigkeit sind Berge höchst vergängliche landschaftliche Merkmale. In seinem Buch Physik in der Berghütte: Von Gipfeln, Gletschern und Gesteinen rechnet der Autor und Geologe James S. Trefil vor, daß ein durchschnittlicher Gebirgsbach jährlich 28 Kubikmeter Bergmasse abträgt, meist in Form von Sandgranulat und anderen Schwebepartikeln. Das entspricht ungefähr der Lademenge eines durchschnittlichen Muldenkippers – nicht allzu viel. Man stelle sich vor, so ein Kipper führe einmal im Jahr am Fuß eines Berges vor, nähme eine einzige Ladung auf, führe davon und käme erst nach zwölf Monaten wieder. Bei dem Tempo erscheint es fast unmöglich, einen ganzen Berg auf diese Weise abzutragen – steht jedoch genügend Zeit zur Verfügung, geschieht genau das. Angenommen, der Berg ist 1.500 Meter hoch und hat eine Gesteinsmasse von 14 Milliarden Kubikmetern – das entspricht ungefähr der Größe des Mount Washington – dann könnte ein einziger Gebirgsbach ihn in 500 Millionen Jahren dem Erdboden gleichmachen.
Natürlich gibt es in den meisten Gebirgen mehrere Bäche darüber hinaus sind Berge noch einer breiten Palette anderer Faktoren ausgesetzt, die zu einer Reduzierung ihrer Masse führen, angefangen bei den säurehaltigen Sekreten von Flechten – geringe Mengen, die aber sehr wirkungsvoll sind – bis hin zum Abrieb durch Eisschichten. Die meisten Berge verschwinden daher sehr viel schneller, ungefähr in zwei statt in 500 Millionen Jahren. Gegenwärtig schrumpfen die Appalachen durchschnittlich um 0,03 Millimeter pro Jahr. Sie haben diesen Zyklus mindestens schon zweimal durchlaufen, wahrscheinlich aber sogar mehr als zweimal – erst zu enormen Höhen erhoben, dann auf Null abgetragen und anschließend wieder erhoben, wobei die Komponenten,
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