Picknick mit Bären
Berglöwen sind geschickte und gefährliche Raubtiere, und hier standen gleich drei, die ihn mit ruhigem Blick musterten –, dann raste er zum nächsten Telefon und meldete seine Beobachtung einem Biologen der staatlichen Tierschutzbehörde. Die Tiere waren bei der Ankunft des Mannes natürlich längst verschwunden, aber der Biologe fand frischen Kot, den er pflichtbewußt eintütete und an das U.S. Fish and Wildlife Laboratory schickte. Der Laborbefund bestätigte, daß es sich tatsächlich um die Hinterlassenschaft eines Felis concolor handelte, eines östlichen Berglöwen, der verschiedentlich und ehrerbietig auch als Panther, Silberlöwe, Puma und, vor allem in New England, als Wildkatze be-zeichnet wird.
Diese Meldungen fanden mein lebhaftes Interesse, denn ich wanderte gerade unweit der Stelle, an der so eine Kreatur zum ersten Mal gesehen worden war. Ich war mit neuem Eifer, neuer Entschlossenheit und einem neuen Plan wieder auf den Appalachian Trail zurückgekehrt. Ich hatte mir vorgenommen, durch New England zu wandern oder jedenfalls so viele Kilometer der Strecke zu absolvieren, wie ich schaffen konnte, bis Katz in sieben Wochen wieder dazustoßen und mit mir die Hundred Mile Wilderness in Maine abgehen würde. In New England führt der Trail fast 1.120 Kilometer weit über wunderschöne bergige Wanderwege; das ist knapp ein Drittel der Gesamtlänge des AT, und es reichte, um mich bis August zu beschäftigen. Zu diesem Zweck brachte mich meine hilfsbereite Frau mit dem Auto in den Südwesten von Massachusetts und setzte mich für meine dreitägige Tour durch die Berkshires an einer Stelle des Trails unweit von Stockbridge ab. Genau da also befand ich mich an einem heißen Junimorgen, stapfte schwitzend eine steile, aber an sich bescheidene Erhebung, Becket Mountain, hinauf. Während ein Schwarm abwehrmittelresistenter Mücken mich umschwirrte, faßte ich in meine Tasche, um zu überprüfen, ob mein Messer noch da war.
Ich rechnete eigentlich nicht damit, einem Berglöwen zu begegnen, aber erst am Tag zuvor hatte ich in einem Artikel im Boston Globe gelesen, daß sich Berglöwen im Westen – wo sie definitiv noch nicht ausgerottet sind – in letzter Zeit in den Wäldern von Kalifornien vermehrt an Wanderer und Jogger heranpirschten und sie töteten. Es traf sogar den unvermeidlichen armen Kerl, der mit Schürze und lustigem Hütchen an seinem Grill im Garten stand. Das kam mir wie ein böses Omen vor.
Es ist durchaus möglich, daß Berglöwen in New England unentdeckt überlebt haben. Rotluchse, die zugegebenermaßen erheblich kleiner sind als Berglöwen, gibt es wieder in beträchtlicher Zahl, aber die Tiere halten sich versteckt und sind so scheu, daß man ihre Existenz kaum wahrnimmt. Viele Ranger kriegen während ihres gesamten Berufslebens kein einziges Exemplar zu Gesicht, und in den Wäldern im Osten Amerikas finden große Wildkatzen genügend Platz, um ungehindert herumstreunen zu können. Allein in Massachusetts gibt es 100.000 Hektar Wald, davon entfallen 40.000 auf die attraktiven Berkshires. Von meinem augenblicklichen Standort aus hätte ich, festen Willen und einen unerschöpflichen Nudelvorrat vorausgesetzt, bis nach Cape Chidley im nördlichen Quebec durchwandern können, 2.900 Kilometer weit bis zur eiskalten Labrador Sea, und kaum je unter dem schützenden Dach der Bäume hervorzutreten brauchen. Dennoch ist es höchst unwahrscheinlich, daß von einer so großen Wildkatzenart genug Exemplare überlebt haben, um sich nicht nur in einem überschaubaren Gebiet, sondern in ganz New England unbemerkt über neun Jahrzehnte hinweg fortzupflanzen. Dennoch gab es den von einem Biologen untersuchten Kot. Und der stammte zweifelsohne von einem Berglöwen.
Die plausibelste Erklärung für die Existenz der Löwen draußen im Wald war, daß es sich dabei um ausgesetzte Haustiere handelte, die unüberlegt gekauft worden waren und die man später wieder loswerden wollte. Ich hätte also noch Glück, wenn mich ein Tier mit Flohhalsband und Impfpaß anfallen würde. Ich stellte mir vor, ich läge auf dem Rücken, würde gerade genüßlich verspeist und könnte dabei auf der über mir baumelnden Hundemarke lesen: »Ich heiße Mr. Bojangles. Wer mich findet, ruft bitte Tanya und Vinny an, Telefon: 924-4667«
Wie die meisten großen Tiere – und jede Menge kleinerer -wurde der Berglöwe im Osten ausgerottet, weil er als Plage galt. Bis 1940 gab es in vielen Bundesstaaten im Osten groß angekündigte
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