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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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verlangsamt sich, und die Gehirnwellen sehen aus wie eine Autospur durch die Prärie. Selbst wenn das Opfer in diesem Zustand noch gefunden würde, wäre der Wiederbelebungsschock für den Körper möglicherweise nicht mehr zu verkraften.
    Dies wurde in einem Bericht der Zeitschrift Outside im Januar 1997 auf anschauliche Weise verdeutlicht. 1980 sendeten 16 dänische Seeleute einen Funknotruf aus, zogen sich Schwimmwesten über und sprangen in die Nordsee, während ihr Schiff vor ihren Augen im Meer versank. Anderthalb Stunden lang waren sie ein Spiel der Wellen, bevor ein Rettungsschiff endlich in der Lage war, sie aus den Fluten zu ziehen. Selbst im Sommer ist die Nordsee von einer so mörderischen Kälte, daß ein Mensch in ihr innerhalb einer halben Stunde den Tod findet. Daher war das Überleben aller 16 Seeleute wahrlich ein Grund zum Feiern. Die Männer wurden in Decken eingewickelt und in die Messe nach unten gebracht, wo man ihnen ein heißes Getränk verabreichte, woraufhin sie tot umfielen – alle 16.
    Genug der fesselnden Anekdoten, setzen wir uns einmal sozusagen persönlich mit dieser faszinierenden Krankheit auseinander.
    Ich war jetzt in New Hampshire, was mich sehr freute, da wir erst kürzlich hierhergezogen waren und ich natürlich ein besonderes Interesse daran hatte, Land und Leute kennenzulernen. Vermont und New Hampshire liegen so eng beieinander und sind sich so ähnlich, was Größe, Klima und Dialekt angeht, und darin, womit sich die Bewohner ihren Lebensunterhalt verdienen – hauptsächlich Wintersport und Tourismus –, daß sie häufig als Zwillinge apostrophiert werden. In Wahrheit sind sie grundverschieden. Mit Vermont verbindet man Volvos und Antiquitätenläden und Landgasthäuser mit putzigen Namen, Quail Hollow Lodge und Fiddlehead Farm Inn. Mit New Hampshire dagegen verbindet man Männer mit Jagdmützen und Pick-ups mit Aufklebern und markigen Sprüchen: »Freiheit oder Tod.« Auch die Landschaft unterscheidet sich grundlegend. Die Berge in Vermont gleichen eher sanften, lieblichen Hügelketten, und die Vielzahl der Farmen, die sich auf Milchwirtschaft spezialisiert haben, verleiht dem Bundesstaat etwas insgesamt Menschenfreundlicheres. New Hampshire dagegen ist ein einziger großer Wald. Von den insgesamt 24.097 Quadratkilometern des Staatsgebietes sind knapp 85 Prozent – eine Fläche, die größer ist als Wales – Wald, der Rest besteht entweder aus Seen oder liegt oberhalb der Baumgrenze. Abgesehen von einigen Städten und Wintersportgebieten hier und da ist New Hampshire im großen und ganzen die pure Wildnis – manchmal geradezu beängstigend wild. Die Berge hier sind höher, zerklüfteter, schwieriger zu erklimmen und gefährlicher als die in Vermont.
    Im Thru-Hiker’s Handbook, dem einzigen unverzichtbaren Führer für den Appalachian Trail, wie ich an dieser Stelle mal erwähnen sollte, bemerkt der große Dan »Wingfoot« Bruce hierzu, daß der Wanderer, der von Süden nach Norden geht, bei Überschreiten der Staatsgrenze von Vermont nach New Hampshire vier Fünftel der Wegstrecke, aber erst die Hälfte der Mühsal geschafft hat. Allein auf dem Abschnitt in New Hampshire, der 260 Kilometer durch die White Mountains führt, befinden sich 35 Berggipfel, die über 900 Meter aufragen. New Hampshire ist also ein ganz schöner Brocken.
    Ich hatte so viel über die ungestümen und gefährlichen White Mountains gelesen, daß mir bei dem Gedanken, mich allein in das Gebiet zu wagen, unwohl war – nicht, daß ich es mit der Angst zu tun bekommen hätte, aber wenn ich noch eine einzige Geschichte über die Flucht vor einem Bären gehört hätte, wäre ich soweit gewesen. Man kann sich daher meine heimliche Freude vorstellen, als mein Freund und Nachbar Bill Abdu mir anbot, mich auf einigen meiner Tagestouren zu begleiten. Bill ist ein sehr netter Zeitgenosse, liebenswert und kenntnisreich, ein erfahrener Wanderer mit dem unschätzbaren Vorzug, obendrein noch ein geschickter orthopädischer Chirurg zu sein – genau das, was man in der gefährlichen Wildnis braucht. Ich rechnete zwar nicht damit, daß seine Chirurgenhände von großem Nutzen sein würden, aber sollte ich stürzen und mir das Rückgrat brechen, dann erführe ich wenigstens noch die lateinische Bezeichnung dafür.
    Wir beschlossen, mit dem Mount Lafayette anzufangen, und begaben uns zu diesem Zweck an einem klaren Julimorgen in aller Frühe zu dem zwei Autostunden entfernt gelegenen Franconia Notch Park

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