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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Verwirrung zu. Das ist das Problem, wenn man seinen Verstand verliert: Wenn er erst mal weg ist, kriegt man ihn nicht wieder.
    Ich schaute auf meine Uhr und stellte mit Schrecken fest, daß es immer noch zwei Minuten vor elf war. Mein Zeitgefühl war weg! Ich war vielleicht nicht in der Lage, meinen Grips verläßlich zu beurteilen, aber jetzt hatte ich den Beweis am Handgelenk. Wie lange würde es noch dauern, bis ich halbnackt durch die Gegend tanzte und versuchte, angebliche Flammen zu ersticken, oder mich die fixe Idee überkäme, der eleganteste Ausweg aus diesem Schlamassel wäre ein Sprung mit einem unsichtbaren Zauberfallschirm in die Talsohle? Ich jammerte ein bißchen vor mich hin, ging aber weiter, wartete eine geschlagene Minute ab und sah dann wieder auf meine Uhr. Immer noch zwei Minuten vor elf! Ich war geliefert!
    Bill, der anscheinend gänzlich unbekümmert war und unempfindlich gegenüber der Kälte und der natürlich keine Ahnung davon hatte, daß wir auf dem Grat bei diesem für die Jahreszeit untypischen Wind alles andere als vorankamen, drehte sich ab und zu um und fragte, wie es mir ging.
    »Gut!« sagte ich jedesmal, denn ich hätte mich geschämt einzugestehen, daß ich auf dem besten Weg war, meinen Verstand zu verlieren, bevor ich mit einem wissenden Lächeln auf den Lippen und dem Abschiedsruf »Bis nachher im Jenseits, alter Freund!« über den Rand des Grats springen würde. Vermutlich war ihm noch nie ein Patient auf einem Berggipfel abhanden gekommen, und ich wollte ihn nicht unnötig aufregen. Außerdem war ich mir nicht hundertprozentig sicher, daß ich die Kontrolle über mich verlor, ich fühlte mich nur ziemlich elend.
    Ich weiß nicht, wie lange wir bis zum Gipfel des Lafayette brauchten, jedenfalls kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Vor 100 Jahren stand ein Hotel an diesem öden, abschreckenden Ort, und die vom Wind traktierten Fundamente sind immer noch eine Art Wahrzeichen. Ich habe sie auf Fotos gesehen, aber ich kann mich kein bißchen an sie erinnern. Ich war voll und ganz auf den Abstieg über den Nebenwanderweg zur Greenleaf Hut konzentriert. Er führte über ein riesiges Geröllfeld und dann, ungefähr anderthalb Kilometer weiter, durch Wald. Kaum hatten wir den Gipfel hinter uns gelassen, legte sich der Wind, und nach 150 Metern hatte sich alles wieder beruhigt. Das war geradezu gespenstisch, und auch der Nebel hing nur noch hier und da in Fetzen. Plötzlich konnten wir die Welt unter uns erkennen, und auch, wie weit oben wir uns befanden, fast abgehoben, obwohl alle anderen Gipfel in der Umgebung von Wolken verhüllt waren. Zu meiner Überraschung und Genugtuung ging es mir gleich besser. Ich richtete mich mit einem neuen Gefühl der Stärke auf, und mir wurde klar, daß ich die ganze Zeit über mit einem regelrechten Buckel gegangen war. Es ging mir wirklich viel besser, ich fror nicht mehr, und mein Kopf war wieder klar.
    »So schlimm war es nun auch wieder nicht«, sagte ich mit einem derben Bergwandererlachen zu Bill und drängte weiter zur Hütte.
    Greenleaf Hut ist eine von zehn malerischen und in diesem Fall besonders praktischen Steinhütten, die von dem altehrwürdigen Appalachian Mountain Club in den White Mountains betrieben werden. Der AMC, der vor über 120 Jahren gegründet wurde, ist nicht nur der älteste Wanderverein in Amerika, sondern auch die älteste »Bürgerinitiative«, die sich überhaupt um die Belange des Umweltschutzes kümmert. Der Verein verlangt stolze 50 Dollar für Übernachtung und Halbpension und wird infolgedessen von den Weitwanderern nur als Appalachian Money Club bezeichnet. Zu seiner Verteidigung wäre zu sagen, daß der AMC ein Wegenetz von 2.250 Kilometern in den White Mountains unterhält, ein ausgezeichnetes Besucherzentrum in Pinkham Notch führt, lesenswerte Bücher herausgibt und jeden Wanderer in seinen Hütten aufnimmt, auch wenn er nur aufs Klo muß, Wasser holen oder sich einfach nur ausruhen will – ein Service, den wir jetzt dankbar in Anspruch nahmen.
    Wir bestellten uns einen heißen Kaffee und setzten uns damit an einen der vielen langen Tische zu den anderen verschwitzten Hikern und verzehrten unser Lunchpaket. In der Hütte herrschte eine sehr angenehme Atmosphäre, die Einrichtung war einfach und rustikal, mit einer hohen Decke und viel Platz zum Herumlaufen. Als wir fertig waren, setzte bei mir der Muskelkater ein. Deshalb stand ich auf, spazierte herum und sah mir einen der beiden Schlafräume an. Er war

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