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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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der Vereinigten Staaten treffen. In der Folge fallen im Jahresdurchschnitt 625 Zentimeter Schnee. Während eines besonders denkwürdigen Sturms im Jahr 1969 fielen innerhalb von drei Tagen zweieinhalb Meter Schnee auf dem Gipfel. Der Wind ist ein zusätzliches, spezielles Merkmal: Im Winter weht er an zwei von drei Tagen mit durchschnittlicher Hurrikanstärke (das sind 120 Stundenkilometer); auf das ganze Jahr gerechnet, bläst er an 40 Prozent aller Tage mit dieser Geschwindigkeit. Wegen der Dauer und der Strenge des Winters beträgt die durchschnittliche Jahrestemperatur schlappe -2 Grad Celsius. Das sommerliche Mittel liegt bei etwa zehn Grad Celsius, gute fünf Grad niedriger als am Fuß des Berges. Es ist ein grausamer Berg, aber dennoch steigen die Menschen hinauf, manche sogar im Winter.
    In ihrem Buch Into the Mountains berichten Maggie Stier und Ron Mc Adow von zwei Studenten der University of New Hampshire, Derek Tinkham und Jeremy Haas, die sich vorgenommen hatten, im Januar 1994 den gesamten Presidential Range abzugehen – sieben Gipfel, einschließlich des Mount Washington, die alle nach amerikanischen Präsidenten benannt sind. Beide waren erfahrene Winterwanderer und verfügten über eine gute Ausrüstung, trotzdem hätten sie sich niemals vorstellen können, worauf sie sich da eingelassen hatten. In der zweiten Nacht stieg die Windgeschwindigkeit auf 145 Stundenkilometer, und die Temperatur sank auf -35 Grad Celsius. Ich habe -30 Grad Celsius erlebt, bei ruhigen Verhältnissen wohlgemerkt, und ich kann nur sagen, selbst wenn man gut eingepackt ist und noch Restwärme von der Hütte in sich hat, kann es sehr schnell sehr ungemütlich werden. Irgendwie überlebten die beiden die Nacht, aber am nächsten Tag verkündete Haas, er könne keinen Schritt mehr weitergehen. Tinkham half ihm in den Schlafsack und schleppte sich selbst zur drei Kilometer entfernten Wetterstation. Er schaffte es gerade noch, trug allerdings schwere Erfrierungen davon. Seinen Freund fand man am nächsten Tag, »halb aus dem Schlaf sack gekrochen und steif gefroren«.
    Viele andere sind schon bei weniger widrigen Verhältnissen am Mount Washington umgekommen. Eine der frühesten Katastrophen mit grausiger Berühmtheit war der Tod einer jungen Frau namens Lizzie Bourne, die 1855, kurz nachdem am Mount Washington der Tourismus begonnen hatte, an einem sommerlichen Septembernachmittag in Begleitung zweier Männer versuchte, den Berg zu erklimmen. Wie man sich denken kann, schlug das Wetter um, und die drei verirrten sich im Nebel und wurden getrennt. Die Männer schafften es noch bis zum Hotel am Gipfel, aber auch erst nach Einbruch der Dunkelheit. Lizzie Bourne wurde am nächsten Tag nur 50 Meter vom Hoteleingang entfernt gefunden, tot.
    Insgesamt haben bisher 122 Menschen ihr Leben am Mount Washington verloren. Bis vor kurzem, als der Mount Denali in Alaska die traurige Führung übernahm, war er der »mörderischste« Berg Nordamerikas. Ich hatte daher, als der unerschrockene Dr. Abdu und ich ein paar Tage später zu unserem zweiten großen Aufstieg am Fuß des Berges vorfuhren, genug Reservekleidung dabei, um die Arktis zu durchqueren – Regencape, Wollpullover, Jacke, Handschuhe, eine Ersatzhose und lange Unterwäsche. Ich wollte mich nicht noch einmal halb zu Tode frieren.
    Am Mount Washington, mit ansehnlichen 1.916 Metern der höchste Berg nördlich der Smokies und östlich der Rockies, gibt es nur wenige klare Tage im Jahr, und heute war so ein Tag, weshalb die Menschen in Massen herbeiströmten. Ich zählte bereits über 70 Autos am Pinkham Notch Visitor Center, als wir dort morgens um zehn nach acht ankamen, und mit jeder Minute wurden es mehr. Mount Washington ist der beliebteste Gipfel in den White Mountains und der Tuckerman Ravine Trail, die Route, für die wir uns entschieden hatten, der beliebteste Wanderweg. Schätzungsweise 60.000 Hiker wählen jährlich die Tuckerman-Route, allerdings lassen viele sich bis nach oben fahren und gehen dann zu Fuß hinunter, weshalb die Zahl vielleicht ein etwas schiefes Bild ergibt. Jedenfalls war es für einen schönen, warmen, vielversprechenden Tag mit strahlend blauern Himmel Ende Juli nicht überdurchschnittlich voll.
    Der Aufstieg war einfacher, als ich zu hoffen gewagt hatte. Ich konnte mich immer noch nicht so recht an das Bergwandern ohne schweres Gepäck gewöhnen. Das macht enorm viel aus. Ich möchte nicht behaupten, daß wir hinaufrannten, aber wenn man bedenkt, daß

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