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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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haben gerade eine Menge Ärger mit den Wölfen, da unten in Georgia.«
    »Tatsächlich?« Katz spitzte die Ohren.
    »Ja, ja. Sind kürzlich ein paar Leute angefallen worden. Ziemlich übel zugerichtet, wie ich gehört habe.« Er ließ sich noch etwas Zeit mit den Tickets und den Gepäckanhängern.
    »Hoffentlich haben Sie genug lange Unterhosen eingepackt.«
    Katz verzog schmerzlich das Gesicht. »Gegen die Wölfe?«
    »Nein, gegen das Wetter. Es soll die nächsten vier, fünf Tage eine Rekordkälte geben. Weit unter null Grad heute abend in Atlanta.«
    »Na wunderbar«, sagte Katz und stieß einen verzweifelten Seufzer aus. Er sah den Mann herausfordernd an. »Sonst noch Neuigkeiten für uns? Anruf vom Krankenhaus, wir hätten Krebs, oder so?«
    Der Mann strahlte und knallte die Tickets auf den Schalter. »Nein, das war’s. Trotzdem gute Reise. Ach, noch etwas«, er wandte sich direkt an Katz, senkte dabei die Stimme, »hüten Sie sich vor den Wölfen, denn ganz im Vertrauen, Sie sehen aus wie ein richtiger Leckerbissen.« Er zwinkerte scherzhaft.
    »Meine Güte«, sagte Katz mit kaum hörbarer Stimme und wirkte plötzlich sehr, sehr trübsinnig.
    Wir fuhren mit dem Aufzug zu unserem Flugsteig. »Und dann geben sie einem auf diesem Flug nicht mal was Anständiges zu essen«, stellte er abschließend mit ungewöhnlicher Bitterkeit fest.
     
     

3. Kapitel
     
    Alles nahm seinen Anfang mit einem Mann namens Benton MacKaye, einem sanftmütigen, freundlichen, unendlich wohlmeinenden Visionär, der im Sommer 1921 seinem Freund Charles Harris Whitaker, Herausgeber einer führenden Architektur-Zeitschrift, den ehrgeizigen Plan für einen Fernwanderweg unterbreitete. Die Behauptung MacKayes Leben sei zu diesem Zeitpunkt nicht zufriedenstellend verlaufen, wäre eine harmlose Untertreibung. In dem Jahrzehnt davor war er von diversen Posten in Harvard und dem National Forest Service entlassen und, mangels einer besseren Stelle, auf die man ihn hätte abschieben können, mit dem unklar umrissenen Auftrag, Ideen zur Steigerung der Effizienz und der Moral zu entwickeln, in ein Büro des amerikanischen Ministeriums für Arbeit gesteckt worden. Pflichtbewußt, wie er war, arbeitete er ehrgeizige und unrealistische Entwürfe aus, die mit Erheiterung zur Kenntnis genommen wurden und anschließend gleich im Papierkorb landeten. Im April 1921 stürzte sich seine Frau, die berühmte Pazifistin und Suffragette Jessie Hardy Stubbs, von einer Brücke in New York in den East River und ertrank.
    Soweit die Vorgeschichte. Gerade einmal zehn Wochen nach dem tragischen Ereignis eröffnete MacKaye seinem Freund Whitaker die Idee für einen Wanderweg durch die Appalachen, und im Oktober wurde der Vorschlag in einem dafür eigentlich ungeeigneten Forum, der Zeitschrift von Whitaker, dem Journal of the American Institute of Architects, veröffentlicht. Der Appalachian Trail war nur ein Aspekt von MacKayes weitreichender Vision. Er sah den AT als eine Art roten Faden, um »Arbeitslager« auf den Berggipfeln miteinander zu verbinden. In diese sogenannten Workcamps sollten die blassen, erschöpften Arbeiter aus den Städten zu Tausenden strömen und sich im Geiste der Selbstlosigkeit in gesundheitsfördernder Schufterei ergehen und sich an der freien Natur ergötzen. Herbergen, Rasthäuser und Studienzentren sollten errichtet werden, schließlich sogar ganze Walddörfer, die dauerhaft bewohnt sein sollten, Kooperativen »in Selbstverwaltung«, deren Bewohner sich mit »nichtindustrieller Tätigkeit«, basierend auf Handwerk, Forst- und Landwirtschaft, ihren Lebensunterhalt verdienen sollten. Das Ganze sollte nach MacKayes überschwenglicher Beschreibung ein »Rückzug vom Profitdenken« sein – eine Vorstellung, in der andere »die Geißel des Bolschewismus« erkannten, um mit den Worten eines Biographen zu sprechen.
    Zu dem Zeitpunkt, als MacKaye seine Idee entwickelte, existierten bereits mehrere Wandervereine im Osten der Vereinigten Staaten – der Green Mountain Club, der Dartmouth Outing Club und der altehrwürdige Appalachian Mountain Club, um nur einige zu nennen. Diese eher elitären Organisationen besaßen und unterhielten Hunderte Kilometer Forst- und Wanderwege, hauptsächlich in New England. 1925 kamen Vertreter der führenden Vereine in Washington zusammen und gründeten die Appalachian Trail Conference, zu dem Zweck, einen fast 2.000 Kilometer langen Pfad anzulegen, der die beiden höchsten Gipfel im Osten, den 2037 Meter hohen Mount

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