Picknick mit Bären
ich unbedingt von hier abhauen mußte.
20 Minuten später gab ich Katz bekannt, daß wir am nächsten Morgen wieder auf dem Weg sein würden. Er war natürlich entsetzt. »Am Freitag läuft Akte X«, stotterte er. »Ich habe gerade Cream-Soda gekauft.«
»Die Enttäuschung muß schrecklich sein«, erwiderte ich mit einem trockenen, herzlosen Lächeln.
»Und der Schnee? Da kommen wir nie durch.«
Ich zuckte die Achseln, was optimistisch wirken sollte, aber vermutlich eher Ausdruck von Gleichgültigkeit war. »Vielleicht doch.«
»Und wenn nicht? Was ist, wenn wieder ein Schneesturm aufzieht? Wir können von Glück sagen, daß wir beim letzten Sturm mit dem Leben davongekommen sind, wenn du mich fragst.« Er sah mich mit einem verzweifelten Blick an. »Ich habe 18 Dosen Cream-Soda auf meinem Zimmer«, stieß er hervor und bereute es umgehend.
Ich zog ungläubig die Augenbrauen hoch. »18? Willst du dich hier häuslich niederlassen?«
»Es war ein Sonderangebot«, murmelte er entschuldigend und zog sich in seinen Schmollwinkel zurück.
»Es tut mir leid, wenn ich dir deine Festtagslaune verderbe, Stephen, aber wir sind doch nicht den ganzen Weg hierhergekommen, um fernzusehen und Cream-Soda zu trinken.«
»Ich bin auch nicht hergekommen, um mir unterwegs den Tod zu holen«, sagte er, stritt aber nicht weiter mit mir herum.
Wir gingen los, und wir hatten Glück. Der Schnee war tief, aber passierbar. Ein einsamer Wanderer, noch ungeduldiger als wir, war schon vor uns durchgestapft und hatte den Schnee auf dem Trail ein bißchen plattgetreten, was eine große Hilfe war. Auf den steilen Abstiegen war es glatt – Katz fiel andauernd auf den Rücken, rutschte aus, fluchte wild –, und in höheren Lagen mußten wir gelegentlich um ausgedehnte Schneefelder herumgehen, aber es gab keine einzige Stelle, die unpassierbar war.
Das Wetter besserte sich ebenfalls. Die Sonne kam heraus, die Luft wurde milder, die Gebirgsbäche hörten sich durch den Zulauf des plätschernden und glucksenden Schmelzwassers wieder munterer an. Ich vernahm sogar zaghaftes Vogelgezwitscher. Oberhalb von 1.300 Meter war der Schnee liegengeblieben, und die Luft war eisig, aber weiter unten zog sich der Schnee portionsweise mit jedem Tag weiter zurück, bis am dritten Tag nur noch vereinzelte Flecken an den schattigen Stellen der Hänge zu sehen waren. Es war alles überhaupt nicht schlimm, nur wollte Katz das nicht zugeben. Das war mir egal. Ich wollte nur gehen. Ich war sehr, sehr glücklich.
7. Kapitel
Zwei Tage lang wechselte Katz kaum ein Wort mit mir. Am zweiten Abend hörte ich ein ungewohntes Geräusch aus seinem Zelt – das Zischen einer Getränkedose, die geöffnet wird – und er sagte streitlustig: »Weißt du, was das ist, Bryson? Cream-Soda. Und soll ich dir noch etwas verraten? Ich trinke sie gerade, und du kriegst nichts davon ab. Sie schmeckt köstlich.« Es folgte ein absichtlich verstärktes Schlürfen. »Hmmmmmm. Einfach köstlich.« Noch ein Schluck. »Soll ich dir sagen, warum ich sie trinke? Es ist neun Uhr, und Akte X hat gerade angefangen, meine absolute Lieblingssendung.« Man hörte ein lang anhaltendes Gluckern, dann wurde der Reißverschluß des Zeltes aufgezogen, eine Dose landete mit einem Scheppern auf dem Boden. Dann wurde der Reißverschluß wieder zugezogen. »Mensch, das tat gut. Und jetzt kannst du mich mal, gute Nacht.«
Damit war die Sache erledigt. Am nächsten Morgen war er wieder gut aufgelegt.
Katz konnte sich nie so recht für das Wandern erwärmen, obwohl er sich wirklich alle Mühe gab. Ich glaube, nur ganz gelegentlich bekam er eine Ahnung davon, daß es beim Wandern draußen im Wald etwas gab – etwas schwer Faßbares und Elementares – was einem tiefe Zufriedenheit verschaffte. Manchmal freute er sich über einen Ausblick oder betrachtete erstaunt irgendein Wunder der Natur, aber in der Hauptsache war Wandern für ihn ein höchst anstrengendes, schmutziges, sinnloses Sich-Dahin-schleppen von einem Ort der Bequemlichkeit zum nächsten, weit entfernt liegenden Ort. Ich dagegen ging ganz und gar in der simplen Tätigkeit des Vorwärtsstrebens auf, unbekümmert und zufrieden mit mir und der Welt. Meine entsprechende Abwesenheit faszinierte und amüsierte ihn zugleich, aber meistens war er einfach genervt.
Am späten Vormittag des vierten Tages nach unserem Aufbruch in Franklin, hockte ich mich auf einen gewaltigen, grünen Felsen und wartete auf Katz, nachdem mir aufgefallen war, daß
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