Picknick mit Bären
aber diese stellen auch seit Jahren ein Problem dar, denn viele haben die Scheu vor Menschen verloren. Über eine Million Menschen kommen jedes Jahr in die Smokies, viele nur um zu picknicken. Bären haben gelernt, Menschen mit Nahrung in Verbindung zu bringen. Für sie sind Menschen übergewichtige Geschöpfe mit Baseballmützen, die jede Menge Nahrung auf Picknicktischen um sich ausbreiten und dann ein bißchen kreischen und lostapern, um schnell die Videokamera zu holen und zu filmen, wie der hebe Teddybär daherschlurft, auf ihren Tisch klettert und ihren Kartoffelsalat und ihren Schokoladenkuchen verschlingt. Weil der Bär nichts dagegen hat, gefilmt zu werden und ihm das Publikum ziemlich gleichgültig ist, nähert sich meist irgendeiner aus der Runde der Picknicker dem Tier und versucht, es zu streicheln oder mit einem Plätzchen zu füttern. In einem verbrieften Fall schmierte eine junge Frau Honig auf die Finger ihres Kindes, damit der Bär sie vor der Kamera ableckte. Der Bär verstand die Regieanweisung nicht und schnappte sich gleich die ganze Hand des Kleinen.
Wenn so etwas geschieht – ungefähr ein Dutzend Menschen werden pro Jahr verletzt, meist an Rastplätzen und meist durch eigenes Fehlverhalten – oder wenn ein Bär aufdringlich oder aggressiv wird, erlegen die Parkranger ihn mit einem Narkosepfeil, schnüren ihn zusammen und verfrachten ihn weit ins Hinterland, fernab von Straßen und Rastplätzen und setzen ihn dort wieder aus. Mittlerweile haben sich die Bären längst an die Menschen und ihre Nahrung gewöhnt. Bei wem werden sie folglich wohl im Hinterland nach Nahrung suchen? Bei Leuten wie Katz und mir natürlich. Die »Annalen« des Appalachian Trail sind voll von Geschichten von Wanderern, die im Hinterland der Smokies von Bären angegriffen wurden. Ich hielt mich daher jetzt, als wir in die dicht bewaldeten, steilen Shuckstack Mountains eintauchten, immer unmittelbarinder Nähe von Katz auf, und trug meinen Wanderstab wie einen Prügel. Katz fand das natürlich albern.
Das Urgeschöpf der Smokies, wenn man so will, ist jedoch der im Verborgenen lebende und wenig beachtete Salamander. Es gibt 24 verschiedene Arten in den Smokies, mehr als sonstwo auf der ganzen Welt. Salamander sind höchst interessante Kreaturen, und das lassen Sie sich bitte von niemandem ausreden. Zunächst einmal sind sie die ältesten Landwirbeltiere. Als Lebewesen zum ersten Mal aus dem Wasser krochen, sahen sie so aus wie Salamander, und sie haben sich seither nicht viel verändert. Manche Salamanderarten in den Smokies haben noch nicht einmal Lungen entwickelt, sie atmen durch die Haut. Die meisten Salamander sind sehr klein, drei bis fünf Zentimeter lang, nur der Riesensalamander, der seltene und erstaunlich häßliche Schlammteufel, kann über 60 Zentimeter groß werden. Ich wollte unbedingt einen Schlammteufel sehen.
Noch artenreicher und noch weniger gewürdigt als der Salamander ist die Flußmuschel. 300 Flußmuschelarten, ein Drittel aller Arten weltweit, leben in den Smokies. Die Süßwassermuscheln der Smokies haben phantastische Namen, zum Beispiel Purple wartyback, Shiny pigtoe oder Monkeyface pearly-mussel. Leider erschöpft sich damit das Interesse an den Tieren, und weil die Flußmuscheln so wenig beachtet werden, auch von naturwissenschaftlicher Seite, verschwinden sie in einem erschreckenden Ausmaß. Fast die Hälfte aller Flußmuschelarten der Smokies ist akut gefährdet, zwölf Arten sollen bereits ausgestorben sein.
Eigentlich ist das höchst befremdlich für einen Nationalpark. Muscheln werfen sich schließlich nicht freiwillig unter die Räder der vorbeifahrenden Autos. Dennoch sind die Smokies dabei, die meisten ihrer Muschelarten zu verlieren. Tiere und Pflanzen auszurotten, hat beim National Park Service gewissermaßen Tradition. Der Bryce Canyon National Park ist vielleicht das interessanteste, auf jeden Fall aber das treffendste Beispiel dafür. Der Park wurde 1923 gegründet und hat unter der Verwaltung des Park Service in nicht einmal einem halben Jahrhundert sieben Säugetierarten verloren – den weißschwänzigen Eselhasen, den Präriehund, die Gabelantilope, das Flughörnchen, den Bieber, den Rotfuchs und das gefleckte Stinktier. Eine beachtliche Leistung, wenn man bedenkt, daß diese Tiere zig Millionen Jahre im Bryce Canyon überlebt haben, bevor der Park Service sich ihrer annahm. Insgesamt sind in diesem Jahrhundert 42 Säugetierarten aus den amerikanischen Nationalparks
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