Picknick mit Bären
verschwunden.
1957 beschloß der Park Service, den Abrams Creek in den Smokies, einen Nebenfluß des Little Tennessee River, nicht allzu weit entfernt von der Gegend, in der Katz und ich uns gerade aufhielten, als Lebensraum für die Regenbogenforelle zu »reklamieren«, obwohl die Regenbogenforelle im Abrams Creek nie heimisch gewesen war. Zu diesem Zwecke schütteten Biologen mehrere Fässer von dem Gift Rotenon auf einer Länge von 25 Kilometern in den Fluß. Nach wenigen Stunden trieben Tausende toter Fische auf der Wasseroberfläche. Zu den 31 Fischarten des Abrams Creek, die dabei vernichtet wurden, gehörte auch der Blaurücken, den die Wissenschaftler noch nie zuvor gesehen hatten. Die Biologen des Park Service brachten das unglaubliche Kunststück fertig, ein und dieselbe Fischart gleichzeitig zu entdecken und zu vernichten. (1980 wurde in einem Bach in der Nähe noch eine Kolonie von Blaurücken entdeckt.)
Das ist alles 40 Jahre her, und heute, in unseren aufgeklärten Zeiten, wäre so eine Dummheit undenkbar. Heutzutage befleißigt sich der National Park Service eines etwas zwangloseren Stils in der Zerstörung der Natur: Vernachlässigung. Er stellt so gut wie kein Geld für Forschung irgendwelcher Art zur Verfügung – weniger als drei Prozent der gesamten Finanzmittel –, und deswegen weiß niemand zu sagen, wie viele Muscheln bereits ausgestorben sind, geschweige denn aus welchem Grund. Wo man auch hinschaut in den Wäldern an der Ostküste, überall sterben die Bäume. In den Smokies sind 90 Prozent der Fräser-Tannen – ein sehr edles Gewächs und eine Besonderheit der südlichen Appalachen – erkrankt oder bereits tot. Dafür gibt es zwei Gründe: den sauren Regen und die Verwüstung durch einen Baumschädling, der sich Fichtengallenlaus schimpft. Fragt man einen Angestellten des Park Service, was dagegen unternommen wird, bekommt man zur Antwort: »Wir beobachten die Situation genau«, was so viel heißt wie, »wir gucken den Bäumen beim Sterben zu.«
Das gleiche Bild bietet sich bei den sogenannten »balds«, grasbewachsenen Kuppeln – baumlose, wiesenähnliche Berggipfel, bis zu 100 Hektar groß und ebenfalls einmalig in den südlichen Appalachen. Man weiß nicht, seit wann diese Kuppeln existieren, wie sie entstanden sind oder warum es sie auf manchen Berggipfeln gibt und auf anderen nicht. Einige Experten meinen, es handle sich um ein Naturphänomen, Überreste von Feuersbrünsten, ausgelöst durch Blitzschlag, andere meinen, sie seien das Werk von Menschen, Brandrodungen, um Platz für Sommerweiden zu schaffen. Auf jeden Fall sind sie absolut typisch für die Smokies. Nach Stunden einsamen Wanderns durch kühlen, finsteren Wald endlich eine freie, offene, sonnenbeschienene Kuppe unter strahlend blauem Himmel und mit Panoramablick zu betreten, ist ein Erlebnis, das man so schnell nicht vergißt. Diese Kuppen sind jedoch mehr als ein bloßes Kuriosum. Nach Angaben des Buchautors Hiram Rogers nehmen die Graskuppen gerade einmal 0,015 Prozent der Gesamtfläche der Smokies ein, beherbergen jedoch 29 Prozent der Flora. Für eine unbestimmte Zeit wurden sie zuerst von Indianern, später dann von eingewanderten Europäern im Sommer als Weideland für Vieh genutzt; heute, da die Viehzucht verdrängt ist und der Park Service nichts unternimmt, erobern sich Straucharten wie Weißdorn und Brombeere die Berggipfel zurück. Wenn nichts unternommen wird, ist es gut möglich, daß es in 20 Jahren keine Graskuppen mehr in den Smokies gibt. Seit Gründung des Parks in den 30er Jahren sind 90 Pflanzenarten auf den Bergkuppen ausgestorben, und für die nächsten paar Jahre wird das Verschwinden von 25 weiteren Arten erwartet. Es gibt keinen Plan, diese Pflanzen vor dem sicheren Tod zu retten.
Man soll aus alldem nicht den Schluß ziehen, ich sei kein Freund des Park Service und seiner Mitarbeiter. Das Gegenteil ist der Fall – ich bewundere diese Leute. Ich habe nicht einen Ranger kennengelernt, der nicht freundlich, engagiert und im allgemeinen gut informiert war. (Ich muß hinzufügen, ich habe selten einen getroffen, die meisten hat man nämlich entlassen, aber diejenigen, mit denen ich zu tun hatte, waren nett und hilfsbereit.) Das Problem sind nicht die Leute an der Basis. Das Problem ist der Park Service selbst. Immer wieder wird zur Verteidigung das Argument vorgeschoben, den Nationalparks würden die Mittel gestrichen, was zweifellos zutrifft. Der Jahresetat des Park Service liegt heute um 200
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