Picknick mit Bären
Hüttenbewohner – der Mäuse und Ratten.
Von dem Moment an, als wir unsere müden Häupter niederbetteten, war das wuselige Getrippel der kleinen Nagetiere zu hören. Sie waren absolut zutraulich und liefen dreist über unsere Schlafsäcke und sogar über unsere Köpfe. Wild fluchend warf Katz seine Wasserflasche und was ihm sonst gerade in die Finger kam nach ihnen. Einmal machte ich meine Stirnlampe an und sah eine kleine Buschschwanzratte auf meinem Schlafsack sitzen, in Brusthöhe; sie hockte auf den Hinterläufen und glotzte mich mit stechendem Blick an. Spontan trat ich von innen gegen den Schlafsack und versetzte das arme Tierchen in Angst und Schrecken.
»Ich habe eine erwischt!« rief Katz.
»Ich auch«, sagte ich stolz.
Katz rutschte auf Händen und Knien über den Boden, als wolle er selbst Mäuschen spielen, ließ den Strahl der Taschenlampe durch die Dunkelheit huschen und blieb von Zeit zu Zeit stehen, um einen Schuh zu werfen oder mit seiner Wasserflasche auf den Boden zu schlagen. Dann kroch er wieder in seinen Schlafsack, blieb eine Zeitlang ruhig, fluchte plötzlich lauthals, warf alles von sich und wiederholte die Prozedur. Ich vergrub mich in meinen Schlafsack und band die Zugschnur über meinem Kopf fest zu. So verging die Nacht, mit wiederholten Gewaltausbrüchen von Katz, gefolgt von den Phasen der Ruhe, dann wieder Getrippel, dann ein erneuter Katzscher Gewaltausbruch. Ich schlief erstaunlich gut, trotz alldem.
Ich hatte erwartet, daß Katz übelgelaunt aufwachen würde, aber er war viel vergnügter als am Abend zuvor.
»Ich muß sagen, es geht nichts über einen anständigen Schlaf, und ich muß sagen, ich habe anständig geschlafen«, verkündete er beim ersten Räkeln und lachte bestätigend. Seine Selbstzufriedenheit rührte daher, daß er sieben Mäuse gekillt hatte, wie sich zeigte, und in höchstem Maße stolz darauf war, wie ein Gladiator mit geschwellter Brust. Mir fiel auf, daß noch etwas Pelziges und ein Klumpen rosa Fleischiges am Boden seiner Wasserflasche klebte, als er sie zum Trinken ansetzte. Gelegentlich hat es mich beunruhigt – ich vermute, es beunruhigt alle Wanderer von Zeit zu Zeit – , wie weit man sich unterwegs vom üblichen zivilisierten Verhalten entfernen kann. Dies war so ein Augenblick.
Draußen war Nebel aufgezogen und füllte den Raum zwischen den Bäumen. Kein aufmunternder Anblick am Morgen. Ein Sprühregen hing in der Luft, als wir uns auf den Weg machten, und nach kurzer Zeit war er in einen gleichmäßigen, gnadenlosen Bindfadenregen übergegangen.
Regen kann einem den letzten Nerv rauben. Es macht absolut keinen Spaß, in einem Regencape zu wandern. Das Knistern von steifem Nylongewebe und das unentwegte, seltsam verstärkt klingende Pladdern von Regentropfen auf synthetischem Material haben etwas zutiefst Entmutigendes. Und was das Schlimmste ist: Man bleibt trotzdem nicht trocken. Die wasserdichte Kleidung hält zwar den Regen ab, aber man schwitzt so stark, daß man von innen her bald ganz durchgeweicht ist. Am Nachmittag war der Pfad ein einziger Wasserlauf. Meine Wanderschuhe hatten längst aufgegeben. Ich war klatschnaß, und es gluckste bei jedem Schritt. In manchen Teilen der Smokies regnet es bis zu 300 Zentimeter pro Jahr, das ist weit mehr als die normale Zimmerhöhe. Eine ganze Menge Regen, könnte man sagen, und wir bekamen jetzt den größten Teil davon ab.
Wir gingen 15 Kilometer weit bis zum Spence Field Shelter, eigentlich keine großartige Entfernung, selbst für unsere Verhältnisse, aber wir waren bis auf die Haut durchnäßt und durchgefroren, als wir ankamen, und zur nächsten Schutzhütte war es sowieso zu weit. Der Park Service – man kommt einfach nicht um ihn herum – hat eine Unmenge kleinlicher, starrer, ärgerlicher Vorschriften für die Wanderer des Appalachian Trail erlassen, darunter die, daß man stets zügig weitergehen soll, niemals vom Weg abweichen darf und die Nacht in einer Schutzhütte campieren muß. Praktisch bedeutet es, daß man nicht nur jeden Tag eine vorgeschriebene Distanz bewältigen, sondern auch jede Nacht eingepfercht zwischen lauter Fremden verbringen müßte. Wir schälten uns aus den nassen Klamotten und kramten in den Rucksäcken nach trockenen, aber sogar die Sachen von ganz unten fühlten sich klamm an. In eine der Hüttenwände war ein in Stein gefaßter Kamin eingebaut, und ein aufmerksamer Mensch hatte daneben ein paar Äste und Scheite gelegt. Katz versuchte ein Feuer
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