Picknick mit Bären
ausgesehen – auf Zehntausenden von Quadratkilometern Hügellandschaft von North und South Carolina bis New England. Alles verschwunden.
1904 fiel einem Pfleger im Zoo der Bronx in New York auf, daß die schönen Kastanienbäume auf dem Gelände über und über mit kleinen, orangefarbenen, krebsartigen Geschwüren eines unbekannten Typs bedeckt waren. Innerhalb weniger Tage erkrankten die Bäume und starben. Als Wissenschaftler den Erreger identifiziert hatten, einen asiatischen Pilz mit der Bezeichnung Endothia parasitica – wahrscheinlich mit einer Schiffsladung infizierter Bäume oder Holzbretter aus dem Orient eingeschleppt –, waren die Kastanienbäume bereits alle abgestorben und der Pilz in die Weite der Appalachen verschleppt, wo jeder vierte Baum eine Kastanie war.
Trotz seiner Masse ist ein Baum ein höchst empfindliches Gebilde. Das gesamte Innenleben spielt sich in drei hauchdünnen Gewebeschichten direkt unter der Borke ab – Phloem, Xylem und Kambium –, die zusammen einen feuchten Mantel um das tote Kernholz bilden. Wie groß ein Baum auch immer wird, im Grunde besteht er nur aus einigen Kilogramm lebender Zellen, die sich weiträumig zwischen Wurzeln und Blättern verteilen. Diese drei aktiven Zellenschichten sind zuständig für die gesamte komplizierte Wissenschaft und Technik, die nötig sind, um einen Baum am Leben zu erhalten, und die Effizienz, mit der dies geschieht, zählt zu den größten Naturwundern. Ohne viel Getöse und Aufhebens zieht jeder Baum im Wald riesige Wassermengen aus dem Boden hoch – bei großen Bäumen sind das an heißen Tagen 1.000 Liter und mehr –, von den Wurzeln bis in die Blätter, von wo aus es zurück in die Atmosphäre gelangt. Stellen Sie sich den Lärm vor, den die Maschinen der Feuerwehr veranstalten würden, wenn sie die gleiche Menge Wasser dort hinaufbefördern müßten.
Der Wassertransport ist nur eine der vielen Aufgaben von Phloem, Xylem und Kambium. Sie stellen außerdem Lignin und Zellstoff her, regulieren den Vorrat und die Produktion von Gerbsäure, Saft, Gummi, Ölen und Harzen, verteilen Mineralien und Nährstoffe, verwandeln Stärke in Zucker, der für zukünftiges Wachstum gebraucht wird (Stichwort Ahornsirup), und erledigen lauter andere wichtige Dinge. Alles vollzieht sich in einer sehr zarten Schicht, weswegen ein Baum höchst anfällig für eindringende Organismen ist. Um dem entgegenzuwirken, verfügen Bäume über ein ausgeklügeltes Abwehrsystem. Der Grund, warum ein Gummibaum beim Anschneiden zum Beispiel Latex absondert, liegt darin, daß damit Insekten und anderen Organismen mitgeteilt werden soll: »Vorsicht! Ungenießbar. Verschwindet!« Bäume können auch gefräßige Raupen abschmettern, indem sie ihre Blätter mit Gerbsäure überschwemmen, wodurch die Blätter weniger schmackhaft werden und die Raupe genötigt wird, sich woanders nach Futter umzusehen. Wenn der Befall besonders schlimm ist, können manche Bäume diesen Umstand sogar als Information weitergeben. Einige Eichenarten setzen eine chemische Substanz frei, durch die anderen Eichen in der Umgebung mitgeteilt wird, daß in Kürze ein Angriff erfolgen wird. Als Reaktion darauf erhöhen die so gewarnten Eichenbäume die Produktion von Gerbsäure, um sich gegen den Überfall zu wappnen.
Solche Mittel sind es, die die Natur am Leben erhalten. Probleme ergeben sich dann, wenn der Baum einem Angreifer gegenübersteht, für den ihn die Evolution nicht ausgerüstet hat, und selten war ein Baum einem Eindringling schutzloser ausgeliefert als seinerzeit die amerikanische Kastanie der Endothia parasitica. Dieser Parasit dringt mühelos in den Baum ein, verspeist die Kambiumzellen und stellt sich bereits auf einen Angriff auf den nächsten Baum ein, bevor ersterer – chemisch gesehen – auch nur eine Ahnung davon bekommt, was ihn befallen hat. Er breitet sich mittels Sporen aus, die millionenfach in jedem Geschwür produziert werden. Ein einziger Specht kann allein mit einem Flug zwischen zwei Bäumen Milliarden Sporen transportieren. Auf dem Höhepunkt des Kastanienbaumsterbens in Amerika wurden mit jeder Windböe Milliarden von Sporen freigesetzt und als tödliche Wolke auf die Nachbarberge geweht. Die Sterberate lag bei 100 Prozent. Nach gut 35 Jahren gehörte die amerikanische Kastanie der Vergangenheit an. Allein die Appalachen verloren im Zeitraum einer Generation vier Milliarden Bäume, die ein Viertel der Gesamtfläche einnahmen.
Das ist natürlich eine große
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