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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Jahrhunderts wimmelte es in den Wäldern des Ostens förmlich von Botanikern – Peter Kalm, Lars Yungstroem, Constantine Samuel Rafinesque-Schmaltz, John Fräser, Andre Michaux, Thomas Nuttall, John Lynn und zahllose andere. So viele Menschen waren dort, konkurrierten in ihrer Jagd nach seltenen Pflanzen, daß sich heute kaum mit Bestimmtheit sagen läßt, welcher Fund von wem stammt. Je nachdem, welche Quelle man konsultiert, entdeckte allein Fräser entweder 44 oder 215 Arten, möglicherweise liegt die korrekte Zahl auch irgendwo dazwischen. Verbürgt ist jedoch seine Entdeckung der wohlriechenden Balsamtanne, auch Fräser-Tanne genannt, die charakteristisch für die hohen Regionen von North Carolina und Tennessee ist. Aber sie trägt seinen Namen nur deswegen, weil er den Gipfel des Clingmans Dome kurz vor seinem schärfsten Rivalen Michaux erklommen hatte.
    Diese Männer bereisten in einem beachtlichen Zeitraum oft riesige Gebiete. Eine der letzten Expeditionen von Bartram dauerte über fünf Jahre und führte ihn so tief in unerforschtes Waldgebiet, daß er lange als verschollen galt. Als er wieder auftauchte, mußte er feststellen, daß sich Amerika seit einem Jahr im Krieg mit England befand und er folglich seine Gönner verloren hatte. Michaux führten seine Reisen von Florida bis zur Hudson Bay, und der Abenteurer Nuttall stieß bis zur fernen Küste des Lake Superior vor, wobei er aus Geldmangel weite Strecken zu Fuß zurücklegte.
    Die Forscher sammelten Unmengen von Pflanzenarten, und ihre Reisen glichen eher Raubzügen. Lyon zog allein an einem Berghang 3.600 Setzlinge der Magnolia macrophylla aus der Erde, dazu Tausende anderer Pflanzen, einschließlich eines hübschen roten Gewächses, das ihn in einen Fieberwahn versetzte und seinen Körper »umgehend in eine einzige Wundblase« verwandelte – er hatte den Giftsumach entdeckt. 1765 entdeckte John Bartram eine besonders hübsche Kamelie, Franklinia alta-maha, schon damals eine seltene Pflanze, die im Laufe von nur 25 Jahren ausgerottet wurde. Sie konnte nur als Züchtung überleben, was wir allein Bartram zu verdanken haben. Rafinesque-Schmaltz ist sieben Jahre lang durch die Appalachen gewandert und hat dabei nicht allzu viel entdeckt, er brachte jedoch 50.000 Samen und Ableger mit nach Hause.
    Wie die Forscher das geschafft haben, ist ein Rätsel. Jede Pflanze mußte katalogisiert und bestimmt werden, die Samen eingesammelt oder ein Ableger geschnitten werden, letzterer mußte in ein Behältnis aus steifem Papier oder Segeltuch eingetopft, gegossen und gepflegt und dann noch durch eine weglose Wildnis in die Zivilisation transportiert werden. Die Entbehrungen und Gefahren waren allgegenwärtig und kräftezehrend. Es wimmelte von Bären, Schlangen und Panthern. Michaux’ Sohn wurde auf einer Expedition einmal übel zugerichtet, als ein Bär ihn aus einem Baum vertrieb. (Schwarzbären scheinen früher wilder gewesen zu sein, denn in fast allen Expeditionsberichten finden sich Hinweise auf plötzliche, willkürliche Attacken. Es ist durchaus denkbar, daß die Bären im Osten der Vereinigten Staaten insgesamt zurückhaltender geworden sind, weil sie gelernt haben, Menschen mit Gewehren in Verbindung zu bringen.) Auch Indianer waren den Forschern im allgemeinen feindlich gesinnt – ebenso häufig allerdings amüsierten sie sich über die weißen, europäischen Gentlemen, die lauter Pflanzen, die um sie herum doch in Hülle und Fülle wuchsen, behutsam einsammelten und mitnahmen – und dann gab es noch all die Krankheiten, die man sich in den Wäldern holen konnte: Malaria, Gelbfieber und andere. »Nicht einer meiner Freunde ist bereit, die Strapazen auf sich zu nehmen und mich auf meinen Wanderungen zu begleiten«, beklagt sich John Bartram bitterlich in einem Brief an seinen englischen Gönner. Das überrascht kaum.
    Offenbar haben sich die Reisen trotzdem gelohnt. Ein einziger besonders wertvoller Samen brachte bis zu fünf Guineen ein. In einem Jahr erzielte John Lyon bei einer Reise nach Abzug aller Kosten einen Gewinn von 900 Pfund – damals ein beträchtliches Vermögen. Im Jahr darauf begab er sich wieder auf Reisen und verdiente ungefähr noch mal die gleiche Summe. Fräser unternahm eine sehr lange Reise im Auftrag der russischen Zarin Katharina der Großen und mußte, als er aus der Wildnis heimkehrte, feststellen, daß es einen neuen Zar gab, der sich nicht für Pflanzen interessierte, ihn für verrückt hielt und seinen Vertrag nicht

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