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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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auf, damit Sie über den gesamten Platz in dieser Hütte verfügen können, aber mein Freund hier trägt nur seine Unterhose, und er macht sich Sorgen, er könne den Damen unter Ihnen zu nahe treten – und die Herren möglicherweise erregen«, fügte er mit einem süßlichen, anzüglichen Grinsen hinzu, »wenn Sie sich also bitte für einen Augenblick umdrehen würden, damit er sich richtig ankleiden kann. Ich möchte mich bereits jetzt von Ihnen verabschieden und mich bei Ihnen dafür bedanken, daß Sie uns gestattet haben, ein paar Millimeterchen von Ihrem Platz eine Weile mit Ihnen zu teilen. Es war uns ein Vergnügen.«
    Dann sprang er hinaus in den Regen. Ich zog mich hastig an, Schweigen und trotzig abgewandte Blicke um mich herum, und hüpfte mit einem knappen, kaum zu vernehmenden »Auf Wiedersehen« auf den Lippen vom Schlafpodest hinunter. Wir schlugen unsere Zelte in ungefähr 30 Metern Entfernung auf – kein leichtes Unterfangen oder gar Vergnügen bei strömendem Regen, das können Sie mir glauben – und krochen hinein. Bevor wir fertig waren, hatten die Stimmen in der Schutzhütte wieder eingesetzt, gefolgt von triumphierendem Gelächter. Sie waren laut bis in die Nacht, dann betrunken grölend bis in die frühen Morgenstunden. Ich fragte mich, ob diese Leute überhaupt einen Hauch von Mitleid oder gar Gewissensbissen empfanden, vielleicht sogar ein Friedensangebot machen würden – mit einem Plätzchen, zum Beispiel, oder einem Hotdog – aber nichts dergleichen.
    Als wir am nächsten Morgen aufwachten, hatte der Regen aufgehört, aber es war immer noch öde und trübe draußen, und Regenwasser tropfte von den Bäumen. Wir kochten erst gar keinen Kaffee. Wir wollten einfach nur weg. Wir brachen unsere Zelte ab und packten unsere Siebensachen. Katz holte noch ein Hemd von der Wäscheleine und meldete, daß unsere sechs Freunde fest schliefen. Zwei leere Flaschen Bourbon, ergänzte er im Ton tiefster Verachtung.
    Wir setzten die Rucksäcke auf und begaben uns auf den Trau. Wir waren ungefähr 400 Meter weit gelaufen, außer Sichtweite des Camps, als Katz mich anhielt.
    »Kannst du dich noch an die Frau erinnern, die gesagt hat, >Oh, müssen wir uns den Platz auch noch teilen<, und die unsere Kleider auf der Wäscheleine zur Seite geschoben hat?« sagte er.
    Ich nickte. Natürlich hatte ich sie nicht vergessen.
    »Also, ich kann nicht sagen, daß ich stolz darauf bin, das sollst du wissen. Aber als ich mir eben mein Hemd abholte, sah ich ihre Schuhe am Rand von dem Schlafpodest stehen, und da habe ich etwas ganz Schlimmes gemacht.«
    »Was denn?« Ich versuchte mir vorzustellen, was das sein könnte, aber es gelang mir nicht.
    Er öffnete die Faust, und da lagen zwei Schnürsenkel. Katz strahlte übers ganze Gesicht – ein breites, sympathisches Grinsen –, steckte die Schnürsenkel in die Hosentasche und ging weiter.
     
     

 
    TEIL 2
     
     
    13. Kapitel
     
    Damit ging der erste Teil unseres großen Abenteuers zu Ende. Wir marschierten die 29 Kilometer bis nach Front Royal, wo meine Frau uns in zwei Tagen abholen sollte, vorausgesetzt, sie fand den weiten Weg von New Hampshire mit dem Auto durch unbekanntes Terrain hierher.
    Ich mußte vier Wochen aussetzen und mich anderen Dingen widmen – hauptsächlich Leute dazu überreden, mein neues Buch zu kaufen, obwohl es nichts mit streßfreiem Abnehmen, Tänzen mit irgendwelchen Wölfen, Erfolg im Zeitalter der Angst oder dem Prozeß gegen O.J. Simpson zu tun hatte. (Trotzdem verkaufte es sich über sechzigmal.) Katz wollte zurück nach Des Moines, wo er für den Sommer einen Job auf dem Bau in Aussicht hatte, aber er versprach, im August wiederzukommen, um den berühmten und gefährlichen Abschnitt des Trails in Maine, der sich Hundred Mile Wilderness nennt, mit mir zu gehen.
    Ganz am Anfang unserer Wanderung hatte er ernsthaft in Erwägung gezogen, den gesamten Trail zu gehen, sich allein auf den Weg zu machen, bis ich dann im Juni wieder dazustoßen würde, aber als ich ihn jetzt danach fragte, lachte er nur und sagte, ich sollte gefälligst auf dem Teppich bleiben.
    »Wenn ich ehrlich sein soll, bin ich erstaunt, daß wir überhaupt so weit gekommen sind«, sagte er, und ich stimmte ihm zu. Wir waren 800 Kilometer weit gelaufen, hatten eineinviertel Millionen Schritte getan, seit wir in Amicalola aufgebrochen waren. Wir hatten allen Grund, stolz zu sein. Wir waren jetzt richtige Wanderer. Wir hatten in den Wäldern geschissen, und wir hatten mit

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