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Picknick mit Bären

Picknick mit Bären

Titel: Picknick mit Bären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bryson
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Bären gefrühstückt. Wir waren Männer der Berge und würden es immer bleiben.
    29 Kilometer an einem Stück zu laufen war eine Heldentat für unsere Verhältnisse, aber wir waren dreckig, hatten den Trail satt und freuten uns auf eine Stadt, und deshalb trotteten wir weiter. Gegen sieben Uhr kamen wir todmüde in Front Royal an und stiegen gleich im erstbesten Motel ab, an dem wir vorbeikamen. Es war unsäglich schäbig, aber billig. Die Matratze hing durch, das Bild auf dem Fernsehschirm wackelte, als würde es gnadenlos von irgendeinem elektronischen Bauteil traktiert, und meine Zimmertür schloß nicht richtig. Sie tat nur so, aber wenn man sie j von außen antippte, sprang sie auf. Es beunruhigte mich zuerst, ) aber dann machte ich mir klar, daß wohl kaum ein Einbrecher scharf auf irgendeine meiner Habseligkeiten sein würde, also zog ich die Tür einfach zu und ging mit Katz Abend essen. Wir fanden ein Steakhouse, ein Stück die Straße hinunter, und lagen anschließend zufrieden in unseren Betten vor dem Fernseher.
    Am nächsten Morgen trabte ich früh zum nächsten Kmart und kaufte zwei komplette Herrenausstattungen – Strümpfe, Unterwäsche, Jeans, Turnschuhe, Taschentücher und die beiden schrillsten Hemden, die ich auftreiben konnte, eines mit Booten und Ankern drauf, das andere mit den berühmtesten Sehenswürdigkeiten Europas. Ich kehrte zum Motel zurück, überreichte eines der Pakete mit Klamotten Katz, der total begeistert war, ging auf mein Zimmer und zog mir die neuen Sachen an. Zehn Minuten später trafen wir uns auf dem Parkplatz wieder, frisch rasiert, schick angezogen, und machten uns gegenseitig Komplimente. Wir hatten einen ganzen freien Tag vor uns und gingen erst mal frühstücken. Danach bummelten wir zufrieden durch die bescheidenen Einkaufsstraßen, stöberten aus Langeweile in Se-condhandläden, stießen auf ein Geschäft für Campingausrüstung, wo ich einen Ersatz für meinen Wanderstab erstand, der genauso aussah wie der, den ich verloren hatte. Anschließend aßen wir zu Mittag und beschlossen, am Nachmittag spazierenzugehen. Deswegen waren wir ja hier.
    Wir stießen auf eine Bahnlinie, die dem Verlauf des Shenandoah River folgte. Es gibt nichts Schöneres, nichts, was ich stärker mit Sommer verbinde, als in einem neuen Hemd Bahngleise entlangzuschlendern. Wir gingen ohne Eile, ohne bestimmten Zweck, wie Bergmenschen auf Urlaub, plauderten unentwegt über Gott und die Welt, traten gelegentlich zur Seite, um einen Güterzug vorbeirattern zu lassen, und freuten uns ungemein an der kräftigen Sonne, den verlockend schimmernden, unendlichen Gleisen und dem schlichten Vergnügen, sich auf Beinen fortzubewegen, die nicht müde waren. So spazierten wir fast bis Sonnenuntergang. Schöner hätten wir den letzten Tag nicht verbringen können.
    Am nächsten Morgen gingen wir wieder frühstücken, und dann folgten drei Stunden elender Warterei neben der Einfahrt des Motel-Parkplatzes: den Verkehr beobachten, Ausschau halten nach einem bestimmten Auto voller strahlender, aufgeregter, lang ersehnter Gesichter. Wochenlang hatte ich versucht, diesen verborgenen Ort des Schmerzes, wo die Gedanken an meine Familie hausten, nicht zu betreten, aber jetzt, wo sie bald da sein würde – jetzt, wo ich meinen Gedanken freien Lauf lassen konnte –, war die Vorfreude unerträglich.
    Sie können sich die Wiedersehensfreude vorstellen, als meine Familie endlich kam, die überschwenglichen Umarmungen, das vielstimmige Geschnatter, das Durcheinander unwichtiger, aber wunderbar detaillierter Informationen über die Schwierigkeit, die richtige Interstate-Ausfahrt und das Motel zu finden, das Lob für Dads trainierten Körper, das Mißfallen über sein neues Hemd. Plötzlich fiel mir Katz wieder ein, verschämt stand er abseits und grinste. Ich versuchte, ihn in die Begrüßung mit einzubeziehen, in das Wuscheln in den Haaren und was sonst so zu dem ganzen, überirdisch glücklichen Theater, endlich wieder vereint zu sein, dazugehört.
    Wir brachten Katz zum National Airport in Washington, von wo aus er für den späten Nachmittag einen Flug nach Des Moines gebucht hatte. In der Wartehalle merkte ich, daß wir bereits wieder in zwei verschiedenen Welten waren – er war abgelenkt von der Suche nach dem richtigen Flugsteig, ich war abgelenkt von dem Gedanken an meine Familie, die auf mich wartete. Mich beschäftigte, daß wir im Parkverbot standen, daß gleich die  Rushhour in Washington einsetzen würde –

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