Picknick mit Bären
und so trennten wir beide uns etwas verlegen, abwesend, mit hastig hingeworfenen: Wünschen für einen angenehmen Heimflug und dem Versprechen, uns im August zur Vollendung unserer großen Wanderung wiederzutreffen. Als er weg war, fühlte ich mich elend, aber dann ging ich zurück zum Auto, sah meine Familie und dachte wochenlang nicht mehr an Katz.
Erst Ende Mai, Anfang Juni kehrte ich zum Appalachian Trail zurück. Ich machte eine Tageswanderung in dem Wald hinter unserem Haus, mit kleinem Gepäck, einer Wasserflasche, zwei Sandwiches und – pro forma – einer Karte, sonst nichts. Es war Sommer, der Wald ein neuer, ganz anderer Ort, voller Leben, voller Grün, Vogelgezwitscher, Schwärmen von Moskitos und Kriebelmücken. Ich ging acht Kilometer weit durch hügeliges Gelände bis nach Etna, eine Kleinstadt, wo ich mich neben einen alten Friedhof setzte und meine Sandwiches verzehrte, dann alles wieder zusammenpackte und zurückging. Ich war vor Mittag wieder zu Hause. Das war nicht das Richtige für mich.
Am nächsten Tag fuhr ich zum Mount Moosilauke, 80 Kilometer von zu Hause entfernt, am südlichen Rand der White Mountains. Moosilauke ist ein herrlicher Berg von beeindruckender Erhabenheit. Er liegt da wie ein Löwe, mitten in der Pampa, so daß er wenig Beachtung erfährt. Er gehört zum Dartmouth College, Hanover, dessen berühmter Outing Club sich seit Anfang des Jahrhunderts gewissenhaft und auf löblich unspektakuläre Weise um das Gebiet kümmert. Dartmouth hat am Moosilauke den Abfahrtsskilauf in Amerika eingeführt, und 1933 wurde dort die erste Nationalmeisterschaft ausgetragen. Für so etwas ist der Berg jedoch zu abgelegen, und die Fans des neuen Sports zogen rasch weiter zu anderen Bergen New Englands, die in der Nähe von Hauptverkehrsstraßen liegen, und Moosilauke versank wieder in grandioser Einsamkeit. Heute würde man nie darauf kommen, daß er einst berühmt gewesen ist.
Ich stellte meinen Wagen auf einem kleinen Schotterplatz ab, es war das einzige Auto an diesem Tag dort, und machte mich auf den Weg in den Wald. Diesmal hatte ich Wasser, Sandwiches, eine Karte und Insektenspray mitgenommen. Mount Moosilauke ist 1.463 Meter hoch und sehr steil. Befreit von jeglicher Last auf dem Rücken konnte ich ohne Pause glatt durchmarschieren -eine neue und erfreuliche Erfahrung. Der Ausblick vom Gipfel war phantastisch, ein Panoramablick, aber ohne anständigen Rucksack und ohne Katz war das alles nicht das Wahre. Um vier Uhr war ich wieder zu Hause. Irgend etwas stimmte einfach nicht. Man wandert nicht den Appalachian Trail entlang, und geht dann nach Hause und mäht den Rasen.
Ich war so lange mit der Vorbereitung und der Durchführung des ersten Teils der Wanderung beschäftigt gewesen, daß ich nicht aufhören konnte, mir auszurechnen, wo ich zu diesem Zeitpunkt mittlerweile gewesen wäre. In Wirklichkeit stand ich jetzt allein da, ohne meinen Wandergefährten, weit entfernt von der Stelle, wo wir den Trail verlassen hatten, und hinkte dem rührend optimistischen Zeitplan, den ich vor nunmehr fast einem Jahr aufgestellt hatte, hoffnungslos hinterher. Danach wäre ich jetzt irgendwo in New Jersey gewesen, munter Kilometer fressend, bis zu 50 am Tag.
Ich mußte den Plan meinen Verhältnissen anpassen, soviel stand fest. Aber ich konnte noch so komplizierte Zahlenspielereien anstellen, selbst wenn ich das riesige Teilstück, das Katz und ich ausgelassen hatten, indem wir einfach von Gatlinburg nach Roanoke vorgesprungen waren, unberücksichtigt ließ: Es war völlig klar, daß ich die ganze Strecke niemals in einer Saison schaffen würde. Angenommen, ich würde in Front Royal, wo wir den Trail verlassen hatten, meine Wanderung nach Norden wieder aufnehmen, dann könnte ich froh sein, wenn ich im Winter Vermont erreichte, 800 Kilometer vom Mount Katahdin, dem Endpunkt des Trails, entfernt.
Diesmal wäre auch der kindlich unschuldige Reiz des Neuen nicht mehr dabei, jener erwartungsfrohe, gespannte Schauder, der sich einstellt, wenn man mit einer nagelneuen Ausrüstung loszieht. Diesmal wußte ich genau, was mich erwartete – viele, viele Kilometer einer schwierigen Strecke, steile, felsige Berge, harte Böden in den Schutzhütten, heiße Tage ohne die Möglichkeit, sich zu waschen, unbefriedigende, auf einem launischen Kocher zubereitete Mahlzeiten. Hinzu kamen die durch warme Witterung bedingten Gefahren: schlimme Gewitter mit heftigen Blitzen, bißfreudige Klapperschlangen,
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