Piesberg in Flammen
Gitter.
Es würde bald zu regnen beginnen. Sie sah ihm nach, wie er mit seinem Fahrrad davonfuhr. Als er auÃer Sicht war, besah sie sich das Vorhängeschloss. Es schien völlig makellos und zeigte keine Spuren eines Einbruchs.
Die Chefin schimpfte mit ihr, weil sie so lange fortgeblieben war, aber Feli hörte kaum hin. Ihr sonst makelloses Make-up war vom Regen vollständig zerlaufen.
NEUN
In der Nacht hatte es stark zu regnen begonnen, und am Morgen nieselte es immer noch. In der Nässe lagen weià und schmierig die Blütenblätter am Boden wie Schuppen von alter Kopfhaut. Der Frühling wirkte plötzlich abgestanden. Er war schon ein paar Wochen alt, und man wollte den Sommer sehen. Das neue Grün. Aber erst ein leichter Flaum hatte die Spitzen der Bäume erreicht. Das Blätterdach war immer noch dünn. Mit dem Regen war der Frühling schütter geworden wie das Haar einer alten Frau. Sauer riechend wie unerfüllte Erwartungen. Das Schreien der Vögel störte jetzt im Schlaf, wie auch das Licht der Sonne, die sich viel zu früh erhob.
Hero Dyk war aus unruhigem Schlaf hochgeschreckt. So stand er nun unschlüssig vor den Resten seines Waschhauses und fragte sich, was zu tun sei. Die Brandwache war in der Nacht abgezogen, da keine Gefahr mehr bestand. Er zückte wie so häufig sein Notizbuch und schrieb: »Zuerst die Bücher. Dann die elektronischen Geräte und alle wichtigen Unterlagen. Den Dachdecker anrufen, sobald Bürozeit ist.«
Er blieb jedoch unschlüssig stehen. So, als würde er auf etwas warten, was seinem Tun eine Richtung geben könnte. Dann gab er sich einen Ruck und begann mit dem Ausräumen. Gegen acht Uhr rief ihn Svetlana zum Frühstück, und um neun läutete er beim Dachdecker an, da hatte es aufgehört zu regnen.
Karl Heeger meldete sich gegen zehn Uhr. Pieter sei verschwunden, berichtete er. Man habe ihn nicht angetroffen und könne ihn nicht erreichen.
»Und nun?«, wollte Hero Dyk wissen.
»Ich fahre nach Wellendorf und besuche seine Mutter«, sagte Karl Heeger. »Vielleicht ist er dort.«
»Das ist eine gute Idee«, sagte Hero Dyk, nahm sich eine Jacke und schwang sich auf sein Fahrrad, froh, dem Aufräumen entkommen zu sein. Er besaà einen Land Rover Defender, aber das Rad war ihm lieber.
Im »Old Hediâs« lag der Haufen Kot unverändert an seinem Platz. Wo gestern noch Hedis Kumpane am Tisch gesessen hatten, lachte ihm heute Karl Heeger entgegen. Alle bis auf Hedi hatten die Flucht ergriffen. Sie war allein mit Heeger und versuchte in der Küche, Kaffee zu kochen. Der Kommissar konnte noch nicht lange vor Ort sein.
»Hast du den Haufen ScheiÃe gesehen?«, fragte Hero Dyk ohne BegrüÃung und wies in das Gasthaus.
»Ich wusste, dass du kommst. Das ist ein wirklich reizender Ort«, sagte Heeger und hieb auf den Tisch, um den Klang des morschen Holzes zu hören. »Ganz nach deinem kranken Geschmack. Als Junge habe ich hier mal ein Vitamalz getrunken, da war es noch eine öffentliche Kneipe. Nicht schön, aber praktisch, so direkt an der StraÃe gelegen. Ich erinnere mich an den Wirt. Er ging ganz gebückt und hatte eine Warze auf der Wange. Dreckig und alt war das Lokal damals schon, aber das waren andere Zeiten. Meine Eltern hatten Spaà am Wandern, deshalb trieben wir uns hier rum. Ich war fünfzehn. Den Geruch habe ich nie vergessen. Merkwürdig, wie man sich an Gerüche erinnert. Tabak und alte Männer. Gerüche bringen Geschichten hervor.«
Hero Dyk setzte sich und nickte. »Hedi ist jünger als wir.«
Heeger schüttelte sich vor Widerwillen. »Ich erinnere mich an ein hübsches Mädchen, das hier lebte. Vorlaut. Vielleicht zwölf Jahre alt. Das ist sehr lange her.«
Beide Männer hingen für einen Moment ihren Gedanken nach und erinnerten sich an die Zeit, da sie Jungen waren.
»Danke, dass du gekommen bist«, sagte Heeger. »Aufhalten kann ich dich nicht. Und du scheinst mehr zu wissen als ich.«
Hero Dyk nickte abwesend. »Stell dir vor, du wärst hier aufgewachsen«, sagte er und wies auf all den Müll im Gastraum. »Das war die Zeit, als meine Eltern sich scheiden lieÃen. Damals lernten wir beide uns kennen, Karl, das muss dreiÃig Jahre her sein. Ich bin froh, dass mir so ein Leben wie dieses erspart geblieben ist.«
Hedi brachte auf einem Tablett eine Kanne Kaffee und
Weitere Kostenlose Bücher