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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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nahe vor ihnen, daß sich die Aufmerksamkeit der beiden jungen Männer auf ihn richtete. Sie lösten sich zögernd aus ihrem Streitgespräch, atmeten tief ein und glätteten ihre Gesichter, um der Außenwelt gesittet entgegenzutreten. Sie rückten auf der Steinbank ein wenig auseinander und begrüßten Cadfael mit etwas gezwungenem Lächeln.
    »Ich sah keinen Grund, Euch zu mir kommen zu lassen«, sagte Cadfael, indem er niederkniete und seinen Ranzen auf den Rasen setzte, »wo ich doch viel leichter zu Euch kommen kann.
    Sitzt also bequem und laßt mich sehen, was noch zu tun ist, ehe Ihr frohen Herzens Weiterreisen könnt.«
    »Das ist sehr freundlich von Euch, Bruder«, sagte Ciaran mit einem tiefen Seufzen. »Seid gewiß, daß ich frohen Herzens reisen werde, denn meine Pilgerschaft ist kurz und meine Ankunft steht nicht in Zweifel.«
    Matthew am anderen Ende der Bank sagte leise: »Amen!«
    Danach war es still, während Cadfael die geschwollenen Fußsohlen einsalbte und die Essenz kräftig in die mißhandelte Haut massierte, die es bislang sicher gewohnt war, gut beschuht zu laufen. Zum Abschluß rieb Cadfael die Salbe aus Klebkraut in die abheilenden Risse.
    »So! Bewegt Euch morgen möglichst wenig und besucht nur die Gottesdienste, an denen Ihr teilnehmen müßt. Hier im Kloster habt Ihr keine weiten Wege. Morgen werde ich noch einmal zu Euch kommen, und übermorgen, wenn die Heilige überführt wird, werdet Ihr schon etwas länger auf den Füßen stehen können.« Als er so von ihr sprach, wußte er nicht recht, ob er St. Winifreds sterbliche Überreste meinte, von denen man allgemein glaubte, daß sie in dem mit Silber beschlagenen Reliquienschrein ruhten, oder eine Ausstrahlung ihres Geistes, der sogar einen leeren Sarg mit ihrer Heiligkeit füllen konnte; sogar einen Sarg, der armselige, sündige Menschenknochen enthielt, die ihrer Barmherzigkeit unwürdig waren, die aber wie alle Sterblichen der unberechenbaren, wohlwollenden Gnade jener ausgeliefert waren, die über jeden Zweifel erhaben waren.
    Wenn man aufgrund der reinen Logik auf Wunder rechnen könnte, dann wären es keine Wunder, nicht wahr?
    Er rieb sich die Hände mit einer Handvoll Wolle ab und richtete sich auf. In knapp zwanzig Minuten begann die Vesper.
    Er hatte sich verabschiedet und wollte gerade durch den Bogengang in den großen Hof treten, da hörte er rasche Schritte hinter sich, und eine Hand zupfte ihn entschuldigend am Ärmel. Es war Matthew, der ihm ins Ohr raunte: »Bruder Cadfael, Ihr habt dies hier vergessen.«
    Es war sein Salbentopf aus grobem, grünlichem Ton, der im Gras fast unsichtbar war. Der junge Mann hielt ihn in einer breiten, kräftigen Arbeiterhand, die lange, elegante Finger hatte. Dunkle Augen musterten Cadfaels Gesicht reserviert, aber sehr neugierig.
    Cadfael nahm den Topf dankbar entgegen und verwahrte ihn in seinem Ranzen, Ciaran saß dort, wo Matthew ihn verlassen hatte, und richtete sein Gesicht und brennende Blicke auf sie; sie waren ein gutes Stück von ihm entfernt, und Cadfael sah ihn einen Moment lang als arme Seele, die in einer dichtbevölkerten Welt zu vollkommener Einsamkeit verdammt war.
    Cadfael und Matthew sahen sich abschätzend und unsicher an.
    Da war der kräftige, muntere junge Mann, der zugepackt hatte, als es nötig war, dem Melangell daraufhin ihr junges, unerfahrenes Herz geschenkt hatte und den Rhun als Hoffnung für seine Schwester betrachtete, ohne sich darum zu kümmern, was aus ihm selbst wurde. Aus gutem Hause war er und wohlerzogen, gewiß der Abkömmling eines niederen Adligen, der die lateinische Sprache ebensogut beherrschte wie das Waffenhandwerk. Wie, wenn nicht aus ergebener Liebe, war er dazu gekommen, als mittelloser Vagabund, ohne Heim und nur einem sterbenden Mann verpflichtet, durchs Land zu ziehen?
    »Sagt mir die Wahrheit«, begann Cadfael. »Ist es wirklich wahr - ist es sicher -, daß Ciaran dem Tod geweiht ist?«
    Es gab ein kurzes Schweigen, und Matthews weit auseinanderliegende Augen wurden größer und dunkler. Dann sagte er leise und nachdrücklich: »Es ist wahr. Er ist vom Tod gezeichnet. Wenn Eure Heilige kein Wunder wirkt, dann ist er nicht zu retten. Und ich auch nicht!« Er drehte sich abrupt um und kehrte zu seinem Schutzbefohlenen zurück.
    Cadfael ließ das Abendessen im Refektorium aus und wanderte statt dessen durch die Klostersiedlung in Richtung Stadt. Er ging über die Brücke, die den Severn überspannte, durch das Tor in den Ort und über die

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