Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
und ließ das letzte Sonnenlicht auf die Straße fallen. Im milden Glanz stieß Cadfael mit einem Mann zusammen, der gleichzeitig mit ihm eintreten wollte. Zu seiner Überraschung wurde er ehrerbietig von einer festen Hand durch die Pforte geleitet.
    »Ich wünsche eine gute Nacht, Bruder«, summte ihm eine melodische Stimme ins Ohr, als der heimkehrende Gast ihm auf den Fersen folgte. Und dann eilte der stämmige, kraftvolle, in Wolle gekleidete Simeon Poer, der angebliche Händler aus Guildford, mit energischen Schritten an ihm vorbei, überquerte den großen Hof und stieg die Steintreppe zum Gästehaus hinauf.

6. Kapitel
    Als sie am einundzwanzigsten Tag des Juni, dem Vortag von St. Winifreds Überführung, nach dem Hochamt in einen strahlenden Morgen hinaustraten, wurden die bedächtigen Schritte des Abtes, der zu seiner Wohnung zurückging, abrupt von einem Entsetzensschrei unterbrochen. Der Schrei breitete sich unter den auseinanderstrebenden Kirchgängern aus und trieb einen Keil in die Menge, so daß ein Weg für eine auf unbeholfenen, nackten Füßen vorwärtsstolpernde Gestalt geöffnet wurde. Der junge Mann packte die Robe des Abtes und rief laut und empört: »Ehrwürdiger Vater, hört mich an und übt Gerechtigkeit, denn ich bin beraubt worden! Unter uns ist ein Dieb!«
    Der Abt betrachtete erstaunt und besorgt Ciarans Gesicht, das vor Entsetzen und Verzweiflung verzerrt war.
    »Ehrwürdiger Vater, ich bitte Euch, sorgt für Gerechtigkeit! Ich bin verloren, wenn Ihr mir nicht helft!«
    Dann bemerkte Ciaran mit einiger Verspätung, wie ungebührlich heftig er sich gegen den Abt benommen hatte, und fiel vor ihm auf die Knie. »Entschuldigt! Entschuldigt! Ich war zu laut und aufgeregt, ich wußte nicht, was ich sagte!«
    Die fröhlich schwatzenden Kirchgänger, die gerade aus der Messe gekommen waren, verstummten auf einen Schlag, und statt sich weiter zu zerstreuen, kamen sie näher heran, um neugierig zu lauschen und zu gaffen. Die Mönche des Hauses, die sich derart aufgehalten sahen, verharrten in stiller Mißbilligung. Cadfael löste den Blick von dem knienden, flehenden Ciaran und suchte den unentbehrlichen Gefährten.
    Matthew drängte sich gerade völlig bestürzt, mit offenem Mund und aufgerissenen Augen, durch die Menge, blieb ein paar Schritte vor dem Abt und Ciaran stehen, sah hilflos zwischen den beiden hin und her und forschte nach der Ursache dieses plötzlichen Aufruhrs. War es denn möglich, daß dem einen etwas geschehen war, was der andere dieses unzertrennlichen Paares nicht wußte?
    »Steht auf«, sagte Radulfus ruhig. »Ihr braucht nicht zu knien.
    Sagt mir, was Ihr zu sagen habt, und Ihr sollt Euer Recht bekommen.«
    Die Stille breitete sich weiter aus, bis sie sogar die fernsten Ecken des großen Hofes erfüllte. Die Kirchgänger, die schon bis zum Rande des Hofes gekommen waren, machten kehrt und strebten unauffällig zurück, die Augen aufgerissen und die Ohren aufgestellt, um sich in die Menschentraube zu mischen, die sich inzwischen gebildet hatte.
    Ciaran erhob sich und begann zu reden, bevor er aufrecht stand. »Ehrwürdiger Vater, ich hatte einen Ring, die Kopie eines Ringes, den der Herr Bischof von Winchester bei besonderen Anlässen trägt; der Ring war mit seinem Wappen und einer Inschrift geschmückt. Er benutzt diese Kopien, um denen, die er mit Aufträgen ausschickt oder die mit seinem Segen gehen, sicheres Geleit zu gewähren und ihnen einige Türen zu öffnen, damit sie auf der Reise Schutz finden.
    Ehrwürdiger Vater, der Ring ist verschwunden!«
    »Bekamt Ihr diesen Ring von Henry von Blois selbst?« fragte Radulfus.
    »Nein, Ehrwürdiger Vater, nicht von ihm persönlich. Ich stand als Laiendiener im Dienst des Priors der Abtei von Hyde, als diese tödliche Krankheit über mich kam. Ich legte ein Gelübde ab, meine letzten Tage in der Stiftspfründe von Aberdaron zu verbringen. Mein Prior - Ihr wißt ja sicher, daß Hyde schon seit einigen Jahren keinen Abt hat - bat den Herrn Bischof um die Güte, mir Schutz auf meiner Reise zu gewähren.«
    Also das war der Ausgangspunkt dieser barfüßigen Reise gewesen, dachte Cadfael. Winchester selbst oder so nahe daran, daß die Entfernung keine Rolle spielte. Das neue Münster der Stadt, stets ein eifersüchtiger Rivale des alten, wo Bischof Henry residierte, hatte vor dreißig Jahren sein altes Heim in der Stadt verlassen müssen und war nach Hyde Mead an den nordwestlichen Stadtrand verbannt worden. Zwischen Henry und der

Weitere Kostenlose Bücher