Pilger Des Hasses
nicht gilt. Irgendein starker Herrscher ist gewiß besser als gar keiner. Um des Friedens und der Ordnung willen - wollt Ihr die Kaiserin akzeptieren und ein Bündnis mit ihr schließen? Sie ist bereits in Westminster, und die Vorbereitungen für ihre Krönung sind im Gange. Sie hat viel bessere Aussichten, wenn alle Sheriffs sie unterstützen.«
»Ihr fordert mich auf«, erwiderte Hugh leise, »meinen Treueid für König Stephen zu brechen.«
»Ja«, stimmte Olivier ehrlich zu. »Das tue ich. Aus gewichtigen Gründen und nicht um des Verrates willen. Ihr müßt nicht lieben, nur sollt Ihr nicht mehr hassen. Stellt es Euch so vor, daß Ihr damit den Menschen in dieser Grafschaft und diesem Land die Treue haltet.«
»Das kann ich genauso gut oder noch besser auf der Seite, auf der ich bisher stand«, erwiderte Hugh lächelnd. »Das tue ich nämlich gerade jetzt, soweit ich es vermag. Und ich werde damit fortfahren, solange ich noch atmen kann. Ich bin König Stephens Mann, und ich werde ihn nicht verraten.«
»Ah, gut!« sagte Olivier. Er lächelte und seufzte im gleichen Atemzug. »Um die Wahrheit zu sagen, nachdem ich Euch nun kenne, habe ich auch nichts anderes erwartet. Ich würde meinen Eid auch nicht brechen. Mein Herr ist ein Mann der Kaiserin, und ich bin ein Mann meines Herrn, und wenn unsere Positionen vertauscht wären, dann würde meine Antwort genauso lauten wie die Eure. Und doch habe ich die Wahrheit gesprochen. Wieviel kann ein Volk ertragen? Für Eure Feldarbeiter, für die Bürger in der Stadt, die immer wieder beraubt werden, für sie alle wäre irgendeine Entscheidung besser als gar keine. Und ich tue nach Kräften das, was man mir aufgetragen hat.«
»Ich kann daran keinen Makel finden«, entgegnete Hugh.
»Wohin geht Ihr als nächstes? Ich hoffe allerdings, daß Ihr noch ein oder zwei Tage hierbleibt, denn ich würde Euch gern näher kennenlernen, und wir haben sicher eine Menge zu besprechen.«
»Ich will nach Nordosten, nach Stafford, Derby und Nottingham, und dann durch die östlichen Grafschaften zurück. Einige werden sich uns anschließen, einige haben es bereits getan.
Einige werden wie Ihr ihrem König treu bleiben. Und einige werden das tun, was sie schon vorher getan haben - sie drehen sich wie ein Fähnchen im Wind und setzen bei jedem Wechsel ihren Preis höher. Aber das ist egal, damit sind wir fertig.«
Er beugte sich vor und stellte seinen Weinbecher auf den Tisch.
»Ich habe noch etwas Persönliches zu erledigen, und ich bleibe gern ein paar Tage bei Euch, bis ich gefunden habe, was ich suche oder mich vergewissert habe, daß es hier nicht zu finden ist. Der Strom von Pilgern, den Ihr erwähntet, gibt mir ein wenig Hoffnung. Ein Mann, der verschwinden will, kann unter so vielen Menschen, die einander fremd sind, leicht Deckung finden. Ich suche einen jungen Mann mit Namen Luc Meverel.
Habt Ihr von ihm gehört?«
»Den Namen kenne ich nicht«, antwortete Hugh interessiert und neugierig. »Aber ein Mann, der verschwinden will, wechselt vielleicht auch den Namen. Was wollt Ihr von ihm?«
»Nicht ich selbst suche ihn; eine Dame will ihn zurückhaben.
Hier im Norden habt Ihr vielleicht nicht alles erfahren, was in Winchester beim Konzil geschehen ist. Es gab einen Todesfall, der mir sehr naheging. Habt Ihr davon gehört? König Stephens Königin schickte ihren Schreiber, der den Legaten kühn herausgefordert hat. Der Mann wurde wegen seines Wagemutes nachts auf der Straße angegriffen; er kam zwar unversehrt davon, doch hat es einen anderen das Leben gekostet.«
»Davon haben wir gehört«, erwiderte Hugh, der immer neugieriger wurde. »Abt Radulfus nahm an dem Konzil teil und berichtete uns. Ein Ritter mit Namen Rainald Bossard, der dem Schreiber zu Hilfe kam, als dieser angegriffen wurde. Soweit wir gehört haben, stand Bossard in den Diensten von Laurence d'Angers.«
»Der zugleich mein Herr ist.«
»Als Ihr in Bromfield seinen Verwandten einen Dienst erwiesen habt, wurde dies offensichtlich. Ic h dachte sofort an Euch, als der Abt d'Angers erwähnte, wenn ich auch Euren Namen nicht kannte. Dann wart Ihr mit diesem Bossard gut bekannt?«
»Wir haben ein Jahr in Palästina gedient und sind zusammen nach Hause gereist. Er war ein guter Mann und ein guter Freund, und er wurde niedergemacht, als er einen ehrbaren Gegner verteidigte. Ich war in jener Nacht nicht bei ihm, aber ich wünschte, ich wäre dabei gewesen, denn dann wäre er vielleicht noch am Leben. Aber er
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