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Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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gebrochen, an Bruder Cadfael. »Ich werde gewiß nicht abreisen«, erklärte er beruhigend, »ohne unter vier Augen mit Euch gesprochen zu haben. Aber zuerst muß ich mich um diese Angelegenheit kümmern.«
    Sie wurden rasch zu den Ställen geführt, in denen sie vor der Messe ihre Pferde untergebracht hatten. Abt Radulfus sah ihnen nachdenklich nach.
    »Findet Ihr es nicht überraschend, Bruder Cadfael, daß die beiden jungen Pilger so früh und so plötzlich aufgebrochen sind? Ist es möglich, daß sie durch die Ankunft des Messire de Bretagne verscheucht wurden?«
    Cadfael dachte nach und schüttelte schließlich den Kopf.
    »Nein, ich glaube nicht. Warum sollten sie in dem Gedränge heute morgen unter all den Menschen einen bemerkt haben, mit dessen Gegenwart sie nicht gerechnet hatten? Allerdings muß ich zugeben, daß mich ihre Abreise überrascht. Der eine sollte sich eigentlich über ein oder zwei Tage Ruhe freuen, bevor er sich wieder barfuß auf den Weg macht. Und der andere - Vater, hier ist ein Mädchen, das er sehr bewundert und schätzt, ob er es nun selbst ganz begriffen hat oder nicht, und er hat den Morgen mit ihr verbracht und St. Winifred begleitet. Ich bin sicher, daß er die ganze Zeit nur an sie und ihre Familie und an den schönen Tag gedacht hat. Sie ist die Schwester des jungen Rhun, dem vor unseren Augen eine so große Gnade zuteil wurde. Es brauchte schon einen sehr starken Antrieb, um ihn so rasch fortzureißen.«
    »Die Schwester des Jungen, sagt Ihr?« Abt Radulfus erinnerte sich daran, daß er eine bestimmte Absicht zurückgestellt hatte, um zunächst auf Oliviers Bitte einzugehen. »Bis zur Vesper ist noch mehr als eine Stunde Zeit. Ich würde gern mit diesem Jungen sprechen. Ihr habt ihn behandelt, Cadfael. Glaubt Ihr, Eure Behandlung hat etwas mit dem zu tun, was wir heute gesehen haben? Oder könnte er - wenn ich auch einem so jungen Menschen diese Falschheit nicht gern unterstellen möchte - seine Krankheit übertrieben haben, um sich gewisse Vorrechte zu verschaffen?«
    »Nein«, sagte Cadfael entschieden. »Er hat uns nicht getäuscht. Meine bescheidene Kunst hätte nach langwieriger Behandlung die verkrampften Sehnen lockern können, die es ihm so schwer machten, das Bein zu benutzen, und er wäre vielleicht fähig gewesen, es etwas zu belasten - aber den Fuß gerade zu richten und die Sehnen im Bein derart zu dehnen - niemals! Das hätte der beste Arzt der Welt nicht vermocht.
    Ehrwürdiger Vater, gleich als er kam, habe ich ihm einen Trank gegeben, der seinen Schmerz lindern und ihm etwas Schlaf schenken sollte. Nach drei Nächten schickte er ihn mir unberührt zurück. Er sah keinen Grund dafür, daß ausgerechnet er geheilt werden sollte. Er erklärte mir, daß er, da er nichts anderes zu geben hatte, seinen Schmerz opfern wolle. Nicht, um sich eine Gnade zu erkaufen, sondern aus freiem Willen, weil er etwas geben wollte, für das er nichts zurückverlangte. Außerdem scheint es, als hätte ihn der Schmerz verlassen, nachdem er ihn auf diese Weise akzeptiert hatte. Nach der Messe sahen wir, daß die Erlösung vollkommen war.«
    »Dann war sie auch verdient«, erwiderte Radulfus erfreut und bewegt. »Ich muß wirklich mit diesem Jungen sprechen. Wollt Ihr ihn für mich suchen, Cadfael, und ihn zu mir bringen?«
    »Sehr gern, Ehrwürdiger Vater«, sagte Cadfael und machte sich auf den Weg.
    Frau Alice saß im Kreise einiger redseliger Matronen im Klostergarten. Ihr Gesicht strahlte vor schierer Freude so hell, daß sogar die Luft wärmer wurde; aber Rhun war nicht bei ihr.
    Melangell hatte sich in den Schatten des Kreuzgangs zurückgezogen, als wäre ihr das Tageslicht zu grell. Sie saß mit gesenktem Kopf und flickte den ausgefransten Saum eines Leinenhemdes, das ihrem Bruder gehören mußte. Als Cadfael sie ansprach, hob sie nur kurz und schüchtern den Kopf, um ihn sofort wieder zu senken und sich ihrer Arbeit zu widmen. Doch der Blick war genug, um Cadfael merken zu lassen, daß die Freude, in der sie am Morgen wie eine aufgeblühte Rose gestrahlt hatte, jetzt am Nachmittag verdüstert und bleich war.
    Bildete er es sich nur ein, oder war da unter ihrem linken Auge wirklich ein bläulicher Fleck wie von einer Prellung? Doch als er nach Rhun fragte, lächelte sie, wenn auch eher in Erinnerung an das Glück als im Gefühl seiner Gegenwart.
    »Er sagte, er sei müde. Es ist ins Dormitorium gegangen, um etwas zu ruhen. Tante Alice glaubt, daß er im Bett liegt; aber ich denke,

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