Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pilger Des Hasses

Pilger Des Hasses

Titel: Pilger Des Hasses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
Vom Netzwerk:
versperren, solange er nicht völlig sicher ist. Und nun«, sagte der Abt, während er nachdenklich den Leinenbeutel auf seinem Schreibtisch betrachtete, »ist die Frage, was wir damit tun. Ihr sagtet, der Beutel sei zwischen die Betten gefallen und könnte einem der beiden gehören?«
    »Der Junge erzählte es mir. Aber Ehrwürdiger Vater, Ihr werdet Euch daran erinnern, daß die beiden jungen Männer, nachdem der Ring des Bischofs gestohlen worden war, ihre Beutel zur Untersuchung vorgezeigt haben. Was die beiden bei sich hatten, vom Messer abgesehen, das der eine im Torhaus abgab, kann ich nicht sagen. Aber der Vater Prior, der die Untersuchung vornahm, wird es sagen können.«
    »Ja, das wird er können. Für den Augenblick«, entgegnete Radulfus, »glaube ich allerdings nicht, daß wir das Recht haben, den Besitz eines Mannes zu durchsuchen, und ich glaube auch nicht, daß es wichtig sein kann zu erfahren, welchem der beiden der Beutel gehört. Wenn Messire de Bretagne sie einholt, was ihm sicherlich gelingen wird, werden wir mehr erfahren. Vielleicht kann er sie sogar überzeugen, zurückzukehren. Wir werden warten, bis wir etwas von ihm gehört haben. Laßt den Beutel inzwischen hier bei mir. Wenn wir mehr wissen, können wir überlegen, wie wir ihn dem Besitzer zurückgeben.«
    Der Tag der Wunder näherte sich mit klarem Himmel und weicher, süßer Luft so anmutig, wie er begonnen hatte, seinem Ende. Die Menschen in der Enklave gingen pflichtbewußt zur Vesper, und das Abendessen in Refektorium war ein andächtiges, stilles Fest. Die Stimmen, die beim Mittagessen noch aufgeregt und schrill gesprochen hatten, klangen nun in der dankbaren Stille der Erfüllung weicher und ruhiger.
    Bruder Cadfael ließ die Bibellesung im Kapitelsaal aus und ging statt dessen in den Garten. Er stand lange auf dem sanften Hügel über den Erbsenfeldern und betrachtete den Himmel. Die untergehende Sonne hatte noch eine Stunde oder mehr vor sich, ehe ihr Rand die fedrigen Spitzen der Büsche auf der anderen Seite des Baches berührte. Der Westen, der am Morgen die Dämmerung reflektiert hatte, erstrahlte jetzt in triumphierendem, blassem Gold, ganz ohne Wolken, die ihn hätten dunkler färben oder seine Makellosigkeit schmälern können. Der Duft der Kräuter im umfriedeten Garten stieg als schwere, süß und würzig duftende Wolke auf. Ein schöner Ort, ein prächtiger Tag - warum hatte sich ein Mann fortgestohlen und war fortgelaufen?
    Eine sinnlose Frage. Warum tat ein Mann die Dinge, die er tat?
    Warum erlegte Ciaran sich selbst eine solche Mühsal auf?
    Warum zeigte er solche Frömmigkeit und Hingabe und ging doch ohne Abschied und ohne Dank an einem so herrlichen Tag? Matthew hatte beim Abschied ein Geldgeschenk hinterlassen. Warum hatte Matthew seinen Freund nicht überredet, noch einen Tag zu bleiben? Und wie konnte er, der noch am Morgen aufgeregt und in heller Freude Hand in Hand mit Melangell gelaufen war, das Mädchen am Nachmittag ohne Bedauern verlassen und seine bittere Pilgerschaft mit Ciaran wieder aufnehmen, als wäre nichts geschehen?
    Waren es zwei oder drei Männer? Ciaran, Matthew und Luc Meverel? Was wußte er von ihnen, von den dreien, falls es drei waren? Luc Meverel war zum letztenmal gesehen worden, als er allein nach Norden in Richtung Newbury wanderte. Ciaran und Matthew waren von Bruder Adam aus Reading gesehen worden; sie waren von Süden nach Abingdon gekommen, wo sie zusammen übernachteten. Wenn einer von ihnen Luc Meverel war, wo und warum hatte er dann seinen Gefährten aufgelesen, und vor allem, wer war sein Gefährte?
    Olivier hatte die beiden inzwischen wohl eingeholt und die Antworten auf einige dieser Fragen bekommen. Und er hatte gesagt, daß er zurückkommen würde, daß er Shrewsbury nicht verlassen würde, ohne mit einem Mann gesprochen zu haben, der ihm ein guter Freund war. Cadfael nahm diese Versicherung ernst und freute sich darüber.
    Es war nicht die Notwendigkeit, sein Kräutergebräu oder die blubbernden Weine zu versorgen, die ihn dazu brachte, zu seinem Verschlag zu gehen, denn Bruder Oswin, der jetzt mit den anderen Brüdern im Kapitelsaal war, hatte für die Nacht alles aufgeräumt und dafür gesorgt, daß die Kohlenpfanne gelöscht war. In einer Schachtel waren Feuerstein und Zunder, falls es nötig sein sollte, die Kohlenpfanne abends oder früh am Morgen neu zu entfachen. Es war eher so, daß Cadfael sich daran gewöhnt hatte, sich in die Einsamkeit seines Verschlages

Weitere Kostenlose Bücher