Pilger des Zorns
vor den Mund zu nehmen, unter Androhung von Körperstrafen geschah?«
Isaak nickte, schloss die Augen und rieb die schmerzende Stirn. »In der Tat.«
Der Notarius lächelte zufrieden. »Wie schön, dass Ihr so gesprächig seid!«, höhnte er. »Und darum zu meiner nächsten Frage: Trifft es zu, dass Ihr besagtes Verbot in geradezu impertinenter Weise übertreten habt, insbesondere, indem Ihr Euch über die vorgeschriebene Gewandung – will heißen: Kaftan, Spitzhut und Ring – hinweggesetzt und Euch die Kleidung braver Christenmenschen angemaßt habt?«
Isaak senkte den Kopf und schwieg.
»Vorausgesetzt, ich darf dies als Zustimmung werten – geschah dies in der Absicht, die Euch strengstens untersagte Beziehung zu Anna Tuchscherer, Zunftmeistertochter, wieder aufzunehmen? Und das, obwohl Ihr ein rechtskräftig verurteilter Giftmischer, Frauenschänder und Zinswucherer seid?«
»Giftmischerei – dass ich nicht lache.«
Der Blick des Notarius weitete sich, und die wie rot geweint wirkenden Augen sprühten vor Zorn. »Wie darf ich das verstehen?«, lauerte er und kramte eine Pergamentrolle unter seinem Talar hervor. »Wollt Ihr etwa damit andeuten, dass der damalige Vorsitzende des Tribunals, Bruder Malachias, seines Zeichens Sakristan des Dominikanerkonvents zu Würzburg, ein ungerechtes Urteil gefällt hat?«
»Nicht nur das.«
Der Notarius blähte sich förmlich auf. »Was soll das heißen?«, geiferte er und wischte sich den Speichel vom Mund.
»Nicht mehr, als dass Annas Vater alles Erdenkliche getan hat, um mich ins Unrecht zu setzen. Zu behaupten, ich habe mir Anna mithilfe eines Tränkchens gefügig gemacht – geradezu lächerlich. Und dass dieser Bruder Malachias gemeinsame Sache mit ihm gemacht hat.«
»Gemeinsame Sache?«
»Um es in der Sprache der Römer zu sagen: ›Pecunia non olet! [14] ‹ Ein Sprichwort, das mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthält, oder nicht?« Aufgrund der Erfahrungen, die er mit Zeitgenossen vom Schlage des Notarius gesammelt hatte, spürte Isaak, dass er zu weit gegangen war. Doch darauf kam es jetzt nicht mehr an. Und schon gar nicht, dass er dabei war, sich um Kopf und Kragen zu reden.
»Wie gesagt: Ihr tragt den Kopf ziemlich hoch«, schmatzte die Dogge dazwischen, wandte sich jedoch gleich wieder ihren Tafelfreuden zu.
»In der Tat!«, bekräftigte der Notarius, rümpfte die Nase und setzte nach: »Ach so – falls Ihr Euch fragt, wie Euer verruchter Plan aufgeflogen ist: Die Amme Eurer Herzallerliebsten wurde im letzten Moment von Gewissensbissen geplagt – Ihr versteht.«
Isaak wandte den Blick ab und schwieg.
»Was zur Konsequenz hatte, dass sich Vater Tuchscherer noch am heutigen Tage mit einem Zunftkollegen treffen wird, um die Hochzeit seiner Tochter mit dessen Sohn unter Dach und Fach zu bringen.«
»Ich verstehe.«
»Erlaubt, dass ich dies in Zweifel ziehe.«
Isaak hob die Braue und sah den Notarius fragend an. Allen gegenteiligen Bemühungen zum Trotz geriet er ins Schwitzen, was seinem Widersacher natürlich nicht verborgen blieb. »Eure Bitte sei Euch gewährt«, erklärte er lapidar und fügte hinzu: »Was hoffentlich auch auf die meinige zutrifft.«
»Und die wäre?«
»Tut kund, mit welchen Konsequenzen ich zu rechnen habe. Und tut es schnell. Damit ich Eure teure Zeit nicht über Gebühr strapazieren muss.«
Der Notarius verzog die Mundwinkel zu einem hämischen Grinsen. »So es denn Euer Wunsch ist!«, erwiderte er geziert, nahm eine schauspielerhafte Pose ein und räusperte sich.
Isaak nickte, war jedoch einen Wimpernschlag schneller. »Lasst mich raten –«, fuhr er dazwischen, wohl wissend, dass er nichts mehr zu verlieren hatte. »Ihr trachtet danach, an mir ein Exempel zu statuieren – hab ich recht?«
»Ausnahmsweise.«
»Ihr werdet mich durch die Stadt treiben, vor aller Augen demütigen und mithilfe diverser Torturen daran erinnern, dass ich ein Mensch zweiter Klasse bin – wenn überhaupt.«
»Wie scharfsinnig.«
»Dann werdet Ihr mich im Burgverlies verschwinden und auf diskrete Art und Weise vom Leben zum Tode befördern lassen.«
»Wenn es nach mir ginge – ja.«
Isaak stutzte. »Dessen bin ich mir voll und ganz bewusst!«, gab er zurück, bemüht, sich seine Verblüffung nicht anmerken zu lassen. »Da dem jedoch offensichtlich nicht so ist, würde ich gerne erfahren, welcherlei Widrigkeiten mir blühen.«
»Widrigkeiten der besonderen Art. So viel steht fest.«
»Und die wären?«
Ein an
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