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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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»Zufrieden?«
    Isaak zeigte keine Regung, sondern ließ den Blick auf der hasserfüllten Miene seines Kontrahenten ruhen. »Darf man fragen, wer sich das alles ausgedacht hat?«, fragte er. »Etwa mein alter Freund Malachias, seines Zeichens Dominikanermönch?«
    Im Angesicht des Bankiers, mehr als einen Fuß größer, dazu erheblich eloquenter und gebildeter als er, wich der Schreiber zurück. »Soll das heißen, dass du eines der angesehensten Mitglieder des Dominikanerkonventes zu Würzburg der Lüge bezichtigst?«, krächzte er, wobei sich seine Fistelstimme fast überschlug.
    »Das soll heißen, dass Eure Anschuldigungen jeglicher Grundlage entbehren«, wich Isaak gekonnt aus. »Zumindest meiner bescheidenen Meinung nach.«
    Damit, wie Isaak instinktiv realisierte, war für den Schreiber das Maß voll, und anstatt ihm die erwartete Antwort zu geben, schnippte dieser mit dem Finger, wandte sich ab und stieß die Fensterläden auf. »Walte deines Amtes, Soldat!«, richtete er das Wort an den kahlköpfigen Grobian, der das Mainzer Rad auf seinem Lederkoller trug. Und dann, an die Adresse der Reisigen, die drunten warteten: »Keine Bange – nur noch eine kurze Lektion, und wir sind so weit.«

     
    H

     
    »Beweise?«, schnaubte der Burggraf, stocherte zwischen den Zähnen herum und spülte mit einem Viertel Spätburgunder nach. Dabei würdigte er Isaak keines Blickes. »Aber mit dem größten Vergnügen!«
    Obwohl ihm nicht danach war, rang sich der Bankier ein Lächeln ab. Kaum ein Körperteil, der keine Blessuren aufwies, die Platzwunde über dem Auge gar nicht zu erwähnen. Sämtlichen Schmerzen zum Trotz ließ er sich jedoch nichts anmerken und harrte am Ende der Tafel aus.
    »Für meine Begriffe tragt Ihr den Kopf reichlich hoch«, fügte der Burggraf hinzu, der eine fatale Ähnlichkeit mit einer Dogge besaß. Die Art und Weise, wie er sein Wildbret zerfleischte, trug in erheblichem Maße zu diesem Eindruck bei. »Aber nicht mehr lange.«
    Um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen, behielt Isaak seine Antwort für sich. Stattdessen trat er in die Fensternische, von wo aus man einen ungehinderten Blick vom Greinberg auf die Stadt genoss. Mit Ausnahme von Sankt Jakobus, dessen Turmkreuz unter dem Frühdunst hervorragte, war allerdings kaum etwas von ihr zu sehen. Die Umrisse des Würzburger Tores konnte man allenfalls erahnen, und der Markt war unter einem Dunstschleier verborgen. Fast schien es, als habe es die Stadt nie gegeben, so undurchdringlich wirkte die morgendliche Stille auf ihn. Es war die Stundenglocke, die sie schließlich zerplatzen ließ, und bei ihrem Klang zerriss es ihm fast das Herz.
    Die dritte Stunde [13] !, fuhr es dem Bankier durch den Sinn, und obwohl er sich dagegen wehrte, wurde er von tiefer Niedergeschlagenheit gepackt.
    Der Plan war riskant gewesen, keine Frage. Riskant und nicht ohne Tücken. Dennoch: Um ein Haar hätten er und Anna es geschafft. Isaak stöhnte leise auf. Aber eben nur um ein Haar. Vorausgesetzt, seine Identität wäre ein Geheimnis geblieben und er, Isaak, dieser Bulldogge von Burggraf nicht ans Messer geliefert worden.
    Als seien die drei Schläge ein Zeichen für ihn, wandte sich Isaak erneut seinem Kontrahenten zu. »Wie darf ich das verstehen?«, nahm er den Gesprächsfaden wieder auf, während sich dieser ins Tischtuch schnäuzte.
    »So, wie ich es sage!«, knurrte die Dogge, schnitt sich eine Scheibe Bratenfleisch ab und stopfte sie in den Schlund. »Doch warum umständlich, wenn ’ s viel einfacher geht. Und zwar so, dass es sogar ein Jude kapiert.«
    Die blutleere Kreatur, die sich auf ein Fingerschnippen hin aus dem Halbdunkel hinter dem gräflichen Lehnstuhl löste, war Isaak bestens bekannt. In der Gewissheit, er habe einen brandgefährlichen Gegner vor sich, war er sofort auf der Hut. Der kurmainzische Notarius, in etwa so alt wie er, rotblond und widernatürlich bleich, verzog die Mundwinkel zu einem spröden Lächeln, und der angewiderte Blick ließ nichts Gutes erahnen.
    Ein Eindruck, der sich bestätigen sollte. »Trifft es zu«, kam der ganz in Schwarz gekleidete Doktor der Jurisprudenz ohne Umschweife zum Thema, »dass Euch, Isaak Rubinstein, wohnhaft zu Frankenfurt am Main, just im vorigen Jahr – drei Tage nach Allerheiligen, um es auf den Punkt zu bringen – untersagt wurde, diese Stadt jemals wieder zu betreten?«
    Isaak bejahte.
    »Trifft es weiterhin zu, dass dies unter Androhung schwerwiegender Konsequenzen oder, um kein Blatt

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