Pilger des Zorns
Euch beigebracht hat?«
Fast schien es, als würden die Froschaugen des Pilgers aus den Höhlen springen, und die Miene, mit der er Bruder Hilpert taxierte, sprach Bände. Seine Verblüffung war indes nur von kurzer Dauer. »Jemand, den Ihr mit Sicherheit nicht kennt«, wich er mit gespielter Teilnahmslosigkeit aus.
In Bruder Hilpert, der ihn mit listigem Augenaufschlag musterte, hatte er jedoch seinen Meister gefunden. »Und wohin«, gab er keinen Zoll Boden preis, »seid Ihr unterwegs? Falls Ihr es mir überhaupt verraten wollt, versteht sich. Der Herr möge mir meine unziemliche Neugierde verzeihen, armer Tor, der ich nun einmal bin.«
»Oder das genaue Gegenteil davon«, murmelte der Pilger, fügte jedoch rasch hinzu: »Nach Köln, zu der Heiligen Drei Könige Schrein.«
»Köln? Da habt Ihr aber noch eine beschwerliche Reise vor Euch, Meister … Meister …«
»Emicho.«
»Erlaubt, dass ich mich ebenfalls vorstelle!«, fuhr Bruder Hilpert mit gespielter Arglosigkeit fort. »Mein Name ist Hilpert, Bruder Hilpert.«
»Zisterzienser?«
»Wie habt Ihr das bloß herausgefunden!«, rief Bruder Hilpert aus, hütete sich jedoch davor, seinen Sarkasmus auf die Spitze zu treiben. »Und was – der heilige Bernhard möge mir meine Impertinenz verzeihen! – ist Eure Profession, Meister Emicho?«
»Badstuber.«
»Badstuber, aha. Das wäre zur Abwechslung ja mal was Neues.«
Die Stimme des Kapitäns im Rücken, wirbelte Emicho herum, und während er ihn mit seinem Froschblick taxierte, kaute er nervös auf der Unterlippe herum. Bruder Hilpert stutzte. Verglichen mit dem Ton, den er gegenüber ihm und Richwyn angeschlagen hatte, wirkte der Badstuber wie ausgewechselt. »Auf die Gefahr hin, als begriffsstutzig zu gelten –«, schlug sich seine Verwandlung auch im Tonfall nieder, »Ihr sprecht in Rätseln.«
»Tatsächlich?« Aus dem Munde des Kapitäns, der ebenso gut als Flusspirat hätte durchgehen können, kam ein verächtliches Lachen, und er trat bis auf wenige Schritte an den Badstuber heran. Sein Bartwuchs ließ ihn älter erscheinen, und die Augenklappe trug das Ihrige zu diesem Eindruck bei. »Na ja, war vielleicht auch nicht so wichtig.«
Die Wimper des Badstubers zuckte nervös. Mit der Antwort, die er bekommen hatte, war er zwar alles andere als zufrieden. Im Gegensatz zu seinem bisherigen Auftreten hielt er sich jedoch merklich zurück. Aus welchem Grund, war Bruder Hilpert nicht ganz klar. Wie für jedermann ersichtlich, schien er über etwas nachzugrübeln, worüber, blieb allerdings im Dunkeln. »Und auf welche Weise«, fragte er schließlich nach längerem Zögern, »kann ich Euch zu Diensten sein?«
Auf den wettergegerbten Zügen des Kapitäns blitzte ein amüsiertes Lächeln auf. »Auf die denkbar einfachste Weise, Meister …«
»Emicho.«
Wieder ein Lächeln, jedoch voller Bitterkeit. »Indem Ihr bezahlt, Badstuber, nichts weiter.« Während sich sein intaktes Auge in die Züge seines Gesprächspartners bohrte, öffnete der Kapitän die Geldkatze, die er an seinem mit Nieten beschlagenen Gürtel trug. »Wie alle hier an Bord.«
Der Froschblick weitete sich, der Mund des Badstubers nicht minder. »Freilich!«, tat er kleinlaut kund. Und dann, als niemand mehr damit rechnete: »Wie alle.«
»Freut mich zu hören.«
»Und wie viel?«
»Kommt drauf an, was Ihr so alles auf dem Kerbholz habt«, lautete die doppelbödige Replik. Die Reaktion, die der Kapitän damit erzielte, war enorm.
»Ihr sprecht … Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wovon Ihr …«, stammelte der Pilger, außerstande, dem Einäugigen Paroli zu bieten.
»Warum so schüchtern?«, genoss der Kapitän die Szene in vollen Zügen. »Soll das etwa heißen, Ihr habt etwas ausgefressen?«
»Nicht mehr als jeder andere hier an Bord.«
»Wenn dem so ist, lasst mich Euch an Bord der ›Charon‹ willkommen heißen!«, erwiderte der Einäugige voller Häme und streckte die geöffnete Handfläche aus. »30 Silberpfennige, und Ihr seid aller Sorgen ledig.«
TERTIA
Worin es für einen Gast im ›RIESEN‹ zu MILTENBERG am Main ein böses Erwachen gibt.
Zuerst war da nur dieses Geräusch. Dumpf, metallen, bedrohlich. Der Türklopfer. Dann kam der Schrecken, der ihn mit eisernen Krallen aus dem Halbschlaf riss. Gefolgt von der Erkenntnis, dass er es war, auf den es die Kriegsknechte abgesehen hatten. Und dem Wunsch, bei alldem möge es sich um einen Albtraum handeln.
Weit gefehlt. Das Klopfen ebbte nicht ab.
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