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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Nicht so der Mann am Heck. Er stieß einen lauten Fluch aus, auf Tschechisch, wie Bruder Hilpert nebenbei registrierte. Dann riss er das Ruder herum und steuerte auf die Mitte des Flusses zu.
    An dieser Stelle, etwa eine Viertelmeile oberhalb der Wertheimer Burg, war die Strömung besonders stark. Das bedeutete, dass die Absicht des Kapitäns nicht von vornherein aussichtslos war. Bruder Hilpert, der instinktiv Halt suchte, wagte nicht zu atmen. Niemand würde ein derart waghalsiges Manöver durchführen. Es sei denn, er war ein Meister seines Fachs. Eine Mutmaßung, die auf den Kapitän der ›Charon‹ in besonderem Maße zuzutreffen schien.
    Was dieser vorhatte, blieb den Kriegsknechten an der Kettenwinde nicht lange verborgen. Ebenfalls laut fluchend und schwitzend legten sie sich mit aller Kraft ins Zeug. Nicht ohne Erfolg. Die Winde knirschte, ächzte und vibrierte. Nur noch ein paar Atemzüge, dann wäre sie gespannt.
    Und das Schiff damit möglicherweise verloren.
    Auf den Kapitän, der sich mit verbissener Miene ans Ruder klammerte, schien dies jedoch keinen Eindruck zu machen. Er setzte alles auf eine Karte. Die ›Charon‹ geriet ins Schlingern, drohte sogar zu kentern. Die Takelage flatterte im Wind, und das Ächzen des Vorderstevens ging Bruder Hilpert durch Mark und Bein. Nur gut, dass die Ladung ordentlich festgezurrt war. Sonst wäre die Katastrophe perfekt gewesen.
    Doch dann war es geschafft. Die ›Charon‹ lag auf Kurs und hielt auf die freie Stelle in der Flussmitte zu. Sehr zum Verdruss der Kriegsknechte, die wie Berserker an der Kurbel drehten. Die Winde quietschte und ächzte, das Rasseln der Kette schien alle anderen Geräusche zu übertönen. Gischt spritzte in die Höhe, und das Schlupfloch, auf das der Kapitän zusteuerte, wurde immer enger. Eine Umdrehung, höchstens zwei. Dann wäre die Durchfahrt versperrt. Ein Kamel durch ein Nadelöhr zu bugsieren, wäre vermutlich leichter, schoss es Bruder Hilpert durch den Kopf, und er klammerte sich an der Reling fest. Rosalinde, die sich mit schreckgeweiteten Augen von Richwyn gelöst hatte, tat das Gleiche.
    Wider Erwarten ging jedoch alles gut. Zumindest sah es anfänglich danach aus. Die Wertheimer Kriegsknechte hatten das Nachsehen, und nachdem die Kette unter dem Kiel der ›Charon‹ entlanggeschrammt war, atmete Bruder Hilpert erleichtert auf.
    Zu früh, wie sich gleich zeigen sollte.
    Ohne dass jemand an Bord Notiz davon nahm, hatte sich ein Armbrustschütze aus dem Pulk der Wertheimer gelöst und etwa 100 Schritt flussabwärts Position bezogen. Auf wen er es abgesehen hatte, war Bruder Hilpert sofort klar. Zum Eingreifen war es jedoch zu spät.
    Als der Bolzen von der Sehne schnellte, tauchte die ›Charon‹ gerade in ein Wellental ein. Es war nicht sehr tief, höchstens eine Elle.
    Am Schicksal des Kapitäns, der mit schmerzverzerrter Miene zusammenbrach, änderte dies jedoch nichts. Und auch nichts an dem der ›Charon‹, die schlingernd und schaukelnd auf das felsige Ufer zutrieb.

     

VOR SEXTA
    Worin es am Mainkai zu WERTHEIM zu einem hitzigen Disput und einer in der Tat höchst merkwürdigen Begegnung kommt.

     
    Der Hass auf die Metze saß tief, fast so tief wie auf den Dominikanerbastard, mit dem sie ihn betrogen hatte. Der stiernackige Koloss machte ein grimmiges Gesicht. Schade nur, dass sich seine und dieses bocksgeilen Pfaffen Pfade nie wieder kreuzen würden. Sonst würde er blutige Rache nehmen. Ein Komtur des Deutschen Ordens würde sich von niemandem Hörner aufsetzen lassen. Und selbst wenn, würde derjenige dafür bezahlen. Sakristan hin oder her.
    So wahr er der Herr der Henneburg war.
    Und das, schwor er sich, würde auch so bleiben. So leicht würde er sich durch diese Pestbeule von Burgkaplan nämlich nicht abservieren lassen. Ein Jahr und ein Tag, und er würde zurückkehren.
    Und Tabula rasa machen.
    In der Absicht, sich bis zur Abfahrt des nächsten Schiffes die Zeit zu vertreiben, steuerte der sechs Fuß große und zweieinhalb Zentner schwere Hüne auf das Maintor zu. Er trug die Tracht eines Jakobspilgers, warf einen Blick zum Spitzen Turm und blickte anschließend stur geradeaus. Seine Körpergröße, der Vollbart und insbesondere der knorrige Stab hatten etwas Einschüchterndes an sich, und so gingen ihm Bettler, Wasserverkäufer und fliegende Händler aus dem Weg. Mit diesem Bär von einem Mann war nicht gut Kirschen essen. Das konnte man deutlich sehen.
    Wenn auch nicht so, dass es dem verlotterten

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