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Pilger des Zorns

Pilger des Zorns

Titel: Pilger des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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befindet, umgehend ein anderer werden möge. Dass dies unter anderem damit zusammenhängt, dass sich ein Mitglied unseres Ordens über bestehende Regeln hinweggesetzt hat, schmerzt mich umso mehr. Ein weiterer Grund, auf der Stelle und auf möglichst nachhaltige Art und Weise Abhilfe zu schaffen.
    So höre denn, mein Sohn, zu welcher Maßnahme ich mich entschlossen habe. Um Dich, der Du krank daniederliegst, von der Last dringend notwendig gewordener Nachforschungen zu befreien, habe ich mich entschlossen, Dir Bruder Coelestinus, Visitator der Heiligen Inquisition, an die Seite zu stellen. Handelt es sich doch bei ihm um einen in Fragen der Kirchendisziplin erfahrenen, hochgebildeten Mann. Und das, obwohl er noch nicht einmal 30 Lenze zählt. Zuletzt ist er auf dem Reichstage von Konstanz in Erscheinung getreten, wo er, wie mir berichtet wurde, während eines Streitgesprächs zwischen Vertretern diverser Orden unserer gemeinsamen Mutter Kirche eine gute Figur gemacht haben soll. Dies vor allem in Bezug auf die Frage, ob jener unselige Hus, welcher am Sechsten des Monats Julius Anno Domini 1415 auf dem Scheiterhaufen geendet ist, vom Leben zum Tode zu befördern sei.
    Darum sorge Dich nicht, mein Sohn, denn Dir wird geholfen werden. Vor allem in Bezug auf die Frage, wie mit besagtem Bruder Malachias, Deinem Sakristan, zu verfahren ist. Sollten sich die von Dir erhobenen Vorwürfe bestätigen, werden wir nicht umhinkommen, an diesem offensichtlich schwarzen Schaf innerhalb unserer Herde ein Exempel zu statuieren. Um kein Aufsehen zu erregen, wird sich Bruder Coelestinus eine Tarnung zulegen, welche er erst nach seiner Ankunft in Deinem Kloster wieder ablegen wird. Er ist ein wahrer Meister darin, vertritt er doch die Meinung, dass, um Volkes Stimme unverfälscht zu Gehör zu bekommen, man auch wie ein Mann aus dem Volk durch die Lande ziehen muss. Vertraue auf sein Urteil, mein gehorsamer Sohn, und Du wirst sehen, dass sich die Dinge zum Besseren wenden werden.

     
    Dein Dir wohlgesinnter, sich in Sorge um Deinen und den Ruf unseres Ordens verzehrender

     
    Girolamo Farnese, Generallegat und Präses der Heiligen Inquisition zu Rom

     
    Gegeben zu Rom, am 30. Tage im Monat April

     

VESPER
    Worin Isaak Rubinstein in der Nähe von MILTENBERG mehr tot als lebendig an Bord der ›CHARON‹ gelangt.

     
    »Weiterfahren?«, polterte der kurmainzische Zöllner, ein veritabler Giftzwerg, und plusterte sich auf wie ein Pfau. Dank eines Gürtels, der ihm fast die Luft abschnürte, sah er wie eine aufgequollene Bratwurst aus. »Habe ich da eben richtig gehört: Ihr wollt einfach weiterfahren?«
    »Genau!«, erwiderte der Kapitän und knackte mit den Fingern, woraufhin der Zollbeamte, der um jeden Preis ernst genommen werden wollte, die Stirn in Falten zog. »Und zwar so schnell es geht.«
    »Schon mal etwas von Stapelrecht gehört?«, keifte der Giftzwerg, entstieg der Barkasse, die an Backbord vertäut worden war, und kletterte umständlich an Bord. Der Ruderer, muskulös und braun gebrannt, konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen.
    »Aber klar doch«, antwortete der Kapitän voller Hohn, wobei er es vermied, dem Zöllner behilflich zu sein. »Bekannt ist mir so etwas schon. Wenn auch nur vom Hörensagen.«
    »Höchste Zeit, Euer lückenhaftes Gedächtnis etwas aufzufrischen«, konterte der Zöllner, nachdem er endlich an Bord gelangt war. »Also: Wie Euch sicherlich bekannt sein dürfte, befindet Ihr Euch auf kurmainzischem Gebiet. Und das bedeutet, dass sämtliche auf dem Main verschiffte Waren, gleich welcher Herkunft, von alters her als Stapelware zu betrachten und in der Stadt zum Verkauf anzubieten sind. Sollte sich niemand finden, der sich dafür interessiert, steht es Euch frei, die Ware wieder zurückzukaufen. Gegen einen geringfügigen Aufpreis, versteht sich.«
    »Aufpreis – soso.« Der Kapitän verschränkte die Arme, trat näher und grinste über beide Backen. »Und Ihr glaubt, dass ich mir das so einfach gefallen lasse?«
    Der Giftzwerg ließ sich nicht einschüchtern. »Wird Euch wohl nichts anderes übrig bleiben!«, deklamierte er in wichtigtuerischer Manier. »Das heißt, falls Ihr nicht mit dem Gesetz in Konflikt kommen wollt.«
    »Eine fürchterliche Drohung.«
    »Nur zu – macht Euch ruhig lustig über mich«, entgegnete der Zöllner und ließ den Blick über das Sammelsurium von Kisten, Fässern und Jutesäcken gleiten. »Für den Fall, dass Ihr weiterhin verstockt zu bleiben

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