Pilger des Zorns
gedenkt: Ein Wink von mir, und Ihr habt die gesamte Stadtwache am Hals.«
Der Kapitän warf einen Blick zum Ufer, wo ein halbes Dutzend Reisige beim Würfelspiel saß. Vom Bergfried der Mildenburg ertönte ein Hornsignal, gefolgt von lautem Hundegebell. »Und dann?«
»Dann werden wir Euren Kahn auf den Kopf stellen. Und zwar gründlich. Um Euch bis zur Weiterfahrt die Zeit zu vertreiben, habt Ihr die Wahl zwischen dem Stadtgefängnis oder dem Kerker droben auf der Burg. Ganz so, wie es Euch beliebt. Eins muss ich Euch allerdings sagen: Das kann dauern. Beziehungsweise wird Euch teuer zu stehen kommen.« Der Giftzwerg lächelte maliziös und zwirbelte an seinen buschigen Augenbrauen herum. Im Gegensatz zum Kapitän, der immer nervöser wurde, schien er es nicht eilig zu haben. »Und noch etwas: Aufgrund langjähriger Erfahrung mit Vertretern Eurer Zunft sind wir mit sämtlichen Finten bestens vertraut.«
»Finten?«
»Stellt Euch nicht dümmer, als Ihr seid!«, blaffte der Zöllner und zerrte am Saum seines Amtsrocks, damit das Mainzer Rad besser zur Geltung kam. »Um es vorwegzunehmen: Sollte es mir in meiner Eigenschaft als kurmainzischer Zollfiskal gelingen, Euch des Schmuggels zu überführen, könnt Ihr von Glück sagen, wenn Ihr am nächsten Tag noch geradeaus gehen könnt.«
»Hm.« Der Kapitän strich mit Daumen und Zeigefinger über das Kinn und deutete ein Nicken an. Die Anspannung, unter der er stand, war nicht zu übersehen. »Tja, wenn das so ist –«, lenkte er mit einem Lächeln ein, das aufmerksameren Zeitgenossen als dem Giftzwerg wie ein Alarmsignal vorgekommen wäre, »muss ich mich wohl geschlagen geben.«
»Überaus vernünftig von Euch.«
»Findet Ihr?« Der Kapitän fletschte die Zähne und fuhr sich durch das dichte, schwarz gelockte Haar. »Mir kommt da nämlich gerade eine Idee.« Ein Lächeln, das einem Galgenvogel zur Ehre gereicht hätte. Dann fügte der Kapitän hinzu: »Um beide Seiten zufriedenzustellen, meine ich.«
»Und die wäre?«
»Vorausgesetzt, ich kann Eurer Diskretion sicher sein«, ging der Kapitän mit keinem Wort auf die Frage ein.
Der Giftzwerg verschränkte die Arme, massierte die Nasenflügel und wippte auf den Absätzen hin und her. »Diskretion?«
»In der Tat. Keine Gefälligkeit ohne die notwendige Diskretion. Alte Flussschifferweisheit, müsst Ihr wissen.«
Der Zollfiskal blinzelte nervös. »Kann es sein«, raunte er mit Blick auf den Ruderer, wobei er die Stimme merklich dämpfte, dass Ihr beabsichtigt, Euch mein Wohlwollen zu …«
»Erkaufen?«, fuhr ihm der Kapitän mit gespielter Entrüstung in die Parade. »Wo denkt Ihr hin! Unter Ehrenmännern sollten derlei Gepflogenheiten doch wohl unterbleiben!«
»Noch ein bisschen lauter, und Ihr könnt Eure geplante Gefälligkeit vergessen!«, raunzte der Giftzwerg, bevor er einen neuerlichen Blick über die Schulter warf. Der Ruderer schöpfte jedoch keinen Verdacht. Oder tat zumindest so.
»Wusste ich ’ s doch!«, rief der Kapitän aus und genoss die Verlegenheit, mit welcher der Zöllner darauf reagierte, in vollen Zügen. »Ein kurmainzischer Fiskal, selbst wenn er so tüchtig ist wie Ihr, ist bekanntermaßen nicht übermäßig gut bei …«
»Noch mehr von diesem Geschwätz, und ich verlasse auf der Stelle das Schiff.«
»Aber, aber – wer wird denn gleich so humorlos sein.«
»Mein Humor ist meine Angelegenheit«, antwortete der Zollfiskal barsch. »Darum kommt endlich zur Sache.«
Plötzlich wieder der Alte, sah der Kapitän seinen Gesprächspartner wie versteinert an. Mit dem gewünschten Ergebnis. Das Imponiergehabe des Zöllners, nicht viel mehr als ein laues Lüftchen, verebbte im Nu. »Ihr erwähntet etwas von einer … einer Gefälligkeit!«, druckste der Giftzwerg herum.
»In der Tat.«
»Von welcher Art?«
»Pekuniär.«
»Interessant.«
»Finde ich auch!«, betonte der Kapitän, trat zur Seite, um vor unerwünschten Blicken sicher zu sein, und zauberte eine prall gefüllte Börse aus dem Wams. »Wie heißt es doch so schön?«, raunte er dem Zollfiskal ins Ohr. »Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Oder etwa nicht?«
»Von Freundschaft würde ich unter den obwaltenden Umständen nicht unbedingt reden«, konterte der Giftzwerg und öffnete die Fläche seiner linken Hand. »Wenn, dann höchstens von einer Gefälligkeit.«
»Geld allein macht nicht glücklich, ich weiß«, seufzte der Kapitän, an dem ein Schauspieler verloren gegangen war.
»Aber es
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