Pilgerspuren: Palzkis siebter Fall (German Edition)
Mit verträumtem Blick schaute
er mich an.
»Gefällt
Ihnen das, Herr Palzki?«
Da ich während
meiner kurzen Anwesenheit im Verlag bereits mehrere verrückte Dinge erlebt hatte,
beschloss ich, so zu tun, als handle es sich um eine normale Vorgangsweise.
»Ich finde
das Tuch äußerst praktisch. Damit staubt der Drucker nicht so schnell ein.«
Fratellis
Augen blitzten. »Da haben Sie ja vollkommen recht, mein Lieber. Das ist ein ganz
neuer Aspekt. Bei meinem nächsten Termin mit Manfred Wolfnauer vom Dombauverein
werde ich das Argument vorbringen.« Er blickte mir in die Augen. »Dass Sie als Mann
auf solche Sachen kommen?«
»Ich habe
einige Zeit alleine gelebt. Da lernt man, mit einer Staublunge umzugehen.«
Die Tür
ging auf, und Nina Mönch kam mit Robert Nönn herein.
»Guten Tag,
Herr Palzki. Ich freue mich, dass ich Ihnen nochmals persönlich danken kann. Meine
Frau würde sich gerne bei Gelegenheit ebenfalls bei Ihnen bedanken.«
»Meine Frau
hat nur mit den Schultern gezuckt, als ich ihr davon erzählte«, entgegnete Fratelli.
Wir glotzten
ihn an.
»War nur
ein Witz. Trotzdem, einen gewissen Gewöhnungseffekt kann man inzwischen nicht mehr
abstreiten.«
Ich verstand
überhaupt nichts. »Sind im Dom schon öfter Sachen auf Besucher herabgefallen?«
»Herr Fratelli
meint etwas anderes«, erklärte Nönn. »Auf uns beide wurden in den letzten Tagen
mehrfach Anschläge verübt.«
Der Geschäftsführer
goss sich während dieser Erklärung eine weitere Tasse aus der Kanne ein, die er
vorhin vorsorglich mit frisch gebrühtem Kaffee aufgefüllt hatte, und ergänzte die
Ausführungen seines Chefredakteurs: »Wobei man aber sagen muss, dass es nie so knapp
wie gestern ausgegangen war. Die anderen Sachen waren eigentlich harmlos.«
»Harmlos?«
Nönn schien zum ersten Mal seine Fassung zu verlieren.
»Jemand
hat die Bremskabel meines Autos durchgeschnitten, als wir zu unserem Vortrag ins
Kloster Hornbach fuhren. Und nur einen Tag später entdeckten wir das Kontaktgift.«
Fratelli
schien dies wenig zu beeindrucken. »Man schwebt ab dem Tag seiner Geburt ständig
in Lebensgefahr, mein Guter. Außerdem war das alles stümperhaft gemacht. Die Lache
mit der Bremsflüssigkeit sahen wir, bevor wir losfuhren. Und das leuchtend blaue
Gift war viel zu auffällig. Da war der italienische Kaffee, den ich letztes Jahr
in Neapel getrunken habe, weitaus gemeingefährlicher. Die Italiener können nun mal
keinen guten Kaffee kochen.«
Nönn schüttelte
den Kopf. »Aber gestern wäre für uns Schichtende gewesen, wenn Herr Palzki uns durch
seinen sportlichen Einsatz nicht gerettet hätte, und da bin ich ihm sehr dankbar
dafür.«
Sofort setzte
ich mich gerade hin und drückte meine Brust heraus. Das hätte meine Frau hören sollen.
Sie meinte immer, ich wäre so sportlich wie Franz-Josef Strauß Anfang der Neunziger
Jahre. Erst später hatte ich in Erfahrung gebracht, dass er da nicht mehr lebte.
»Haben Sie
wenigstens die Polizei informiert?«, fragte ich erschüttert. »Ich kann mich nicht
erinnern, dass solche Sachen bei uns in der letzten Zeit zur Anzeige gebracht geworden
sind.«
Nina Mönch
mischte sich ein. Sie hielt immer noch ein Nutellabrot in der Hand. »Sie kennen
den Dickkopf unseres Chefs nicht, Herr Palzki. Außerdem haben die beiden keine Ahnung,
ob die Anschläge ihnen gemeinsam galten oder nur einem von ihnen.«
»Aber Sie
müssen doch irgendwelche Anhaltspunkte haben«, bemerkte ich. »Haben Sie Feinde oder
so etwas?«
»Ich komme
mit allen klar«, konterte Fratelli und streichelte sein Druckertuch. »Jedenfalls,
wenn mein diastolischer Koffeinwert stimmt.«
Nönn überlegte,
ob er ebenfalls etwas sagen sollte. Schließlich überwand er sich: »Bei mir kann
ich auch keinen Grund erkennen. Ich habe zwar seit einiger Zeit einen bizarren Nachbarschaftsstreit,
aber Körperverletzung war bisher eigentlich kein Thema.«
Oje, dachte
ich. Wenn es dumm lief, musste ich mich um solch eine Sache kümmern. Nachbarschaftsstreitigkeiten
verliefen fast immer nach dem gleichen Muster. Sie begannen mit Bagatellen. Mal
parkte der böse Nachbar seinen Wagen auf der Straße vor dem Nachbarhaus, dessen
Bewohner der Meinung war, zur Wohnung, beziehungsweise zum Haus, gehöre auch das
exklusive und alleinige Recht, vor diesem zu parken. Statt sich zu einigen, wurde
dann meist sofort die juristische Keule geschwungen. Der Verlierer revanchierte
sich dann mit dem Knallerbsenstrauch, der durch den Maschendrahtzaun
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